Die Mutterschaft, eine große Unbekannte, egal wie viel man vorher plant. Foto: Welzhofer

Egal, wie gut man sich vorbereitet, das Leben mit Kindern erwischt einen dann doch völlig kalt. Unsere Kolumnistin verrät, welche Fragen sie vorher gern geklärt hätte.

Stuttgart - Die wenigsten Frauen, die ich kenne (mich eingeschlossen), stürzen sich einfach so in die Mutterschaft. Im Gegenteil: Da wird jahrelang nach dem richtigen Mann und Zeitpunkt gesucht, den es dann doch nicht gibt (also den Zeitpunkt). Da werden pränatal Babyentwicklungs- und Erziehungsbücher gewälzt, Mütter im Freundeskreis befragt und ausgiebig theoretisiert, ob und wie Muttersein und Feminismus zusammen gehen.

Und trotzdem: Die wichtigsten Fragen stellt man sich vorher nicht, weil man sie erst hinterher kennt. Zum Beispiel diese:

Bin ich tiefenentspannt genug, um lange Zeit nie mehr etwas in Ruhe machen zu können? Mich waschen und anziehen zum Beispiel. Oder die Zeitung lesen. Oder essen. Oder aufs Klo gehen. Oder arbeiten. Oder über das Weltgeschehen nachdenken (zum Beispiel auf dem Klo).

Kann ich mit all den Flecken leben? Auf den Vorhängen, den Stühlen, dem Sofa, den Wänden und Türen, sämtlichen Kinder- und Erwachsenen-Klamotten. Überhaupt: Kann ich mich gedanklich schon mal von meiner geschmackvollen und gepflegten Wohnungseinrichtung verabschieden, weil diese bald mit viel Ausdauer zerstört werden wird?

Bin ich bereit, andere Eltern zu treffen?

Bin ich bereit, meine sorgsam ausgewählte Filterblase zu verlassen und die anderen Eltern zu treffen? Die Streber-Mutter in der Krabbelgruppe („Mein Kind schläft schon durch!“)? Den Angeber-Vater in der Kita („Ich erziehe mein Kind bilingual!“), die überehrgeizigen Fußball-Eltern („Lukas, du gehst erst vom Platz, wenn der Trainer das sagt!!“) und den Spielplatz-Vater, der nur im Schrei-Ton mit seinem Sohn spricht.

Ist das scheinbar natürliche und von fast allen praktizierte Betreuungsmodell (Vater arbeitet Vollzeit, Mutter Teilzeit) wirklich das beste für uns? Was bedeutet eine längere Auszeit und Teilzeit für meine Rente, aber auch für meine Unabhängigkeit und mein Selbstbewusstsein?

Habe ich Lust darauf, bei der Arbeit in Konkurrenz mit denen zu treten, die keinen Zweitjob zuhause haben, deren Arbeitstag nicht morgens um sechs beginnt und abends um neun endet, wenn die Kinder endlich im Bett sind und das Chaos in allen Zimmern beseitigt ist?

Will ich mich rechtfertigen?

Will ich mich dauernd rechtfertigen müssen – oder zumindest das Gefühl haben, mich dauernd rechtfertigen zu müssen? Wenn ich schnell wieder arbeiten gehe. Wenn ich das Kind drei Jahre lang selbst betreue. Wenn ich nicht heirate, nur weil der Gesetzgeber verheirateten Eltern das Leben einfacher macht. Wenn das Baby keine Mütze aufhat, wenn die Kinder fernsehen dürfen oder Quetschies (Verpackungsmüll!) trinken.

Habe ich mit dem Mann schon darüber gesprochen, wie wir als Eltern eine gleichberechtigte Beziehung führen – und nicht unbewusst in Rollen hineinstolpern, die uns eigentlich gar nicht gefallen?

Bin ich Superwoman?

Bin ich bereit für das ganz große Gefühl? Den Stolz, wenn das Kind zum ersten Mal einen Kopffüßler malt. Die Verzweiflung, wenn das mit dem Stillen nicht klappt. Die Angst beim ersten nächtlichen Pseudokruppanfall. Die Wut, wenn das Kind sich nach zehnmaliger Aufforderung die Schuhe immer noch nicht angezogen hat (bin ich also auch bereit dafür, manchmal vor mir selbst zu erschrecken?).

Kann ich diese Superwoman-Rolle ausfüllen? Die der Frau, die alles kann („Mal’ mal den Paw Patroler!“ „Ich möchte einen Traumfänger basteln, jetzt, sofort!“) und auch alles weiß, vor allem, wo gerade dieser eine Lego-Polizist mit den Handschellen ist. Die Vorbild ist und gleichzeitig der Mensch, an dem man am besten seine Wut entladen kann?

Und schließlich: Bin ich bereit, all diese Fragen sein zu lassen? Dieses Planen und Vorher-alles-Durchdenken? Und mich einfach in dieses große und vielleicht schönste Unbekannte überhaupt zu stürzen: Ins Muttersein.

Lesen Sie hier mehr aus der Kolumne „Mensch, Mutter“.

Die Autorin Lisa Welzhofer ist Mutter zweier Kinder und lebt in Stuttgart. In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken übers Elternsein, über Kinder, Kessel und mehr. Sie schreibt im Wechsel mit ihrem Kollegen Michael Setzer, der als „Kindskopf“ von seinem Leben zwischen Metal-Musik und Vatersein erzählt.