Gesperrt, verlottert oder gar nicht vorhanden: Stuttgart ist völlig unterspielt. Foto: Setzer/Setzer

In Stuttgart herrscht wahlweise eine gravierende Unterversorgung an Spielplätzen – oder hier wohnen nur zu viele Kinder. Oder: Es ist einfach egal. Unser Autor spielt trotzdem.

Stuttgart - Die Wahl des Spielplatzes – das überlasse ich dem Dreijährigen. Wenn’s nach mir ginge, würden wir immer dorthin gehen, wo die Eltern mit den Band-T-Shirts auf den Bänken sitzen – Motörhead-T-Shirts strahlen beruhigende Wirkung auf mich aus. Die Sache ist allerdings die: Nicht ich soll mich auf dem Spielplatz amüsieren, sondern der Sohn.

Ich frage also, auf welchen Spielplatz er möchte, welche Spielsachen ich einpacken soll, sorge für ausreichend Proviant, Wechselgarderobe und – dann fällt mir ein, dass das zwar „Kinderwagen“ heißt, mittlerweile aber eher so eine Art Versorgungs-Truck geworden ist. Würden wir uns verlaufen, wir könnten locker eine Woche durchhalten.

„ICH BIN BLOGGERIN!“

Der Sohn entscheidet sich meist für den Spielplatz, auf dem er zuletzt Spaß mit anderen Kindern hatte. Da geht’s nicht um das tollste Klettergerüst, sondern um Freunde, Herzlichkeit und das romantische Zeug. Neulich haben sich zwei Mädchen auf dem Kinderspielplatz gestritten, die Eine brüllte irgendwann: „ICH BIN BLOGGERIN!“. Dann haben alle weitergespielt. Mir gefällt es auf Spielplätzen.

Die werden bei uns mit dem „Spielflächenleitplan“ geregelt. Der besagt, wie viel Spaßfläche für Kinder bei einer gewissen Einwohnerdichte angebracht wäre. Also, falls einem Kinder nicht vollkommen egal sind.

Stuttgart, völlig unterspielt

Der für Stuttgart gültige Plan stammt aus dem Jahr 2011/12 und dient seither offenkundig nur als ganz grobe Richtlinie. Demzufolge fehlen dem Plan im Bereich der Stadtmitte 60 000 Quadratmeter an Spielflächen, um als erfüllt zu gelten, allgemein sei Stuttgart 30 Prozent unterspielt.

Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich: In Stuttgart wohnen viel zu viele Kinder. Und anstatt sich in Demut zu verkriechen, wollen sie auch noch spielen, Spaß und so weiter.

Von wegen „Spielfläche“

„Sollen wir in den Park?“, frage ich. Der Sohn ist früher gerne in den Klingenpark gegangen. Doch der Spielplatz ist am Ende. Nach und nach wurden alle Spielgeräte abgesperrt, im Herbst auch noch die Wasserpumpe deaktiviert – nicht mal mehr die Kleindealer wollen hier rumhängen. Von wegen Spielfläche. Ein Bekannter regte neulich an, städtische Baustellen als Spielplätze umzunutzen. 1.) Wir haben wahnsinnig viele davon und 2.) Kinder mögen Bagger. Genial.

Ach so, 60 000 Quadratmeter fehlende Spielfläche muss man als Deutscher natürlich sofort in Saarland oder Fußballfelder umrechnen. Hier: das sind neun Fußballfelder oder 0,00003 Saarland. Grüße, bitte.

Michael Setzer ist seit drei Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt.