Auch die Kinder gehen dank der Lockerungen wieder mehr ihre eigene Wege. Foto: imago images/ZUMA Wire/Paul Bersebach

Nach elf Wochen Corona, in denen man praktisch rund um die Uhr mit seinen Kindern zusammen war, kann es sich ziemlich komisch anfühlen, wenn der Nachwuchs plötzlich mal wieder aus dem Haus ist.

Stuttgart - 16. März. Der Tag, an dem die Schulen schlossen und für die meisten und auch meine Kinder seither verschlossen sind. Seit diesem schönen Montag im März (Sie erinnern sich vielleicht: Er war sehr warm und die Kinder jubelten über ihre „Corona-Ferien“) bin ich – abgesehen von Einkäufen, einem dringend notwendigen Friseurbesuch und ein paar Ausflügen, die mein Mann und unsere Töchter allein unternommen haben – 24 Stunden am Tag mit meinen Kindern zusammen. Bis zu diesem Montag. Da waren die Kinder ein paar Stunden im örtlichen Kindertreff, der – in Kleinstgruppen und mit Abstand – nun auch wieder öffnen darf.

Und ich? Hatte was, das man vielleicht am besten mit dem Wort „Phantomschmerzen“ beschreiben kann. Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Sehnsucht ließ sich nach „11 Wochen mit“ für drei Stunden gerade noch aushalten. Es war eher dieses Gefühl, das alle Eltern kennen dürften: „Es ist so still – verdammt, was stellen sie jetzt gerade an?“ Es dauerte ein paar Millisekunden, bis mir einfiel: Sie sind ja gar nicht da.

Wie lange kann „ungestört“ gut gehen?

Wenn Sie sich jetzt fragen: Wovon redet sie denn bitte? - eine kleine Einführung. Es handelt sich da um eine Rechenart, eine mathematische Formel, angewandte Mathematik für Eltern sozusagen: Wie lange genieße ich die Ruhe, bis ich nachschaue, was der Nachwuchs treibt? a>b+x Soll heißen: Je länger a (ungestörte, wenn auch verdächtig ruhige Zeit für den Erziehungsberechtigten) ist, desto größer ist das vermutlich angerichtete Chaos (b) und der Aufwand, dieses wieder zu beseitigen (x). b+x sollten a also nie übersteigen.

Ein Anwendungsbeispiel aus der Praxis: Während ich eine wichtige E-Mail schreibe oder endlich mal das Chaos auf meinem Schreibtisch beseitige, haben meine Kinder in der Vergangenheit bereits 1.) das Waschbecken ihrer Kinderküche mit dem Inhalt aller in unserem Haushalt verfügbaren Shampooflaschen gefüllt 2.) die Tür ihres Kinderzimmers von innen komplett mit Tesafilm zugeklebt oder 3.) – ein Klassiker – der Schwester mit der Bastelschere einen Pony à la Juliette Gréco geschnitten.

In der Coronazeit war die „Verdammt, es ist so still“-Formel bei uns täglich in Anwendung. Meist so: Schaffe ich es noch, diesen Artikel zu Ende zu schreiben oder diese Telefonkonferenz würdevoll zu Ende zu bringen, bevor ich im Kinderzimmer zur Schadensbegutachtung schreite? Um gar nicht so selten auch positiv überrascht zu werden: Oft war es nämlich so „verdammt still“, weil die Mädels in eine aufwendige Bastelarbeit oder Erstlesebücher vertieft waren. Und trotzten damit jeglichen mathematischen Naturgesetzen.

Nächste Woche haben meine Mädels wieder ein bisschen Schule. Die Phantomschmerzen werden mit der Zeit sicher nachlassen. 

Theresa Schäfer (38) ist Mutter von Zwillingen - und Onlineredakteurin im Nebenberuf. Der geballten Power, Argumentationsweise und Lautstärke von zwei Siebenjährigen steht sie manchmal völlig geplättet gegenüber.