Mütter haben an jede Menge zu denken – aber Mental Load lässt sich auch auf zwei Köpfe verteilen. Foto: imago images/Westend61/Katharina Mikhrin

Die Tochter braucht neue Turnschläppchen und ein Termin für die U-Untersuchung steht auch an – in vielen Familien jongliert die Frau die Organisation des Alltags. Warum eigentlich, fragt sich die Autorin Laura Fröhlich.

Stuttgart - Zu Beginn habe ich ein paar Fragen an Sie. Sollten Sie Kinder haben, wissen Sie, ...

...welche Schuhgröße Ihre ältestes Kind aktuell hat?

...wo die Winter- und Herbstklamotten der ganzen Familie lagern?

...wo sich U-Hefte, Impfpässe und das Fieberthermometer befinden?

...wann die Abgabe-Frist für die ausgeliehenen Bücher aus der Bibliothek endet?

...was alles auf der Packliste für den Sommerurlaub steht?

All diese Dinge müssen in einer Familie bedacht und organisiert werden, und ohne Männer pauschal verurteilen zu wollen, so erledigen in vielen Haushalten Frauen den Hauptteil dieser Denkarbeit. Das zeigte sich auch während der Corona-Krise, als zahlreiche Mütter das Homeschooling übernahmen, Speisepläne erstellten, den Medienkonsum der Kinder überwachten und darüber ausbrannten. Auch zu „normalen Zeiten“ sind es eher Frauen, die den Alltag koordinieren, im Advent, zum Geburtstag oder bei Milchzahn-Verlust Elfe spielen und mit ihrer immerwährenden Fürsorge einen großen Einfluss auf die gute Stimmung in der Familie nehmen.

An alles denken müssen ist anstrengend

Care-Arbeit nennt man diese Sorgetätigkeiten, nur leider ist die Art von Arbeit wenig sichtbar, sie füllt keine Rentenkassen und bringt kaum Anerkennung. Viele Eltern, die maßgeblich für die Familien-Organisation zuständig sind, sind mental belastet, weil das „An-alles-denken-müssen“ erschöpfend ist. Vor allem folgender Gedanken ist dabei zermürbend: „wenn ich nicht daran denke, tut es keiner.“ Woran liegt das, wie kommt es zu diesem sogenannten „Mental Load“ und wieso ist die ungleiche Verteilung weniger ein individuelles, als ein allgemeines Phänomen?

Frauen fühlen sich für die Denkarbeit verantwortlich, weil sie von klein auf so sozialisiert werden, denn bereits von Mädchen wird eher ein angepasstes, nettes und fürsorgliches Verhalten erwartet. „Mal doch mal ein Bild für die Oma“ oder „vertrag dich wieder mit deinem Bruder“ sind unbewusste Aufforderungen, mit denen wir unseren Töchtern genau das signalisieren. Außerdem nehmen sie wahr, wer sich in unserer Gesellschaft um andere Menschen kümmert: Mama kocht und koordiniert die Familie, im Kindergarten und in der Grundschule arbeiten meist Frauen und im Krankenhaus oder in der Arztpraxis begegnen ihnen Sprechstundenhelferinnen und Krankenschwestern.

To-do-Listen, die kein Ende finden

Ich selber fand mich nach der Geburt unserer drei Kinder irgendwann völlig verzweifelt inmitten von endlosen To-do-Listen wieder und anstelle abends die Füße hochzulegen, so wie es mein Mann tat, recherchierte ich Brei-Rezepte für das Baby und gebrauchte Marken-Gummistiefel. Wieso geraten so viele Mütter wie ich in diesen Strudel der Verantwortlichkeit?

Sobald ein Kind auf die Welt kommt, geht es erst richtig los. Wir nehmen durchschnittlich länger Elternzeit, werden immer besser in der Familien-Organisation und bleiben zuständig, selbst wenn wir wieder in den Beruf einsteigen. Um unseren Mental Load zu reduzieren, ist es daher notwendig, sich mit dem Alltag und dem täglichen Organisieren auseinanderzusetzen, diese Art von Arbeit schätzen zu lernen und sie bewusst aufzuteilen. Care-Arbeit lässt sich sichtbar machen, wenn Eltern eine Weile lang mitschreiben, an was alles gedacht werden muss. „Neue Staubsaugerbeutel kaufen“ oder „Kind braucht neue Sandalen“ scheinen als To-dos banal, aber wenn sich sämtliche Aufgaben summieren, wird das Organisieren zu einer enormen Last. Ich habe schon einmal vorgearbeitet und eine Excel-Tabelle erstellt, die Sie sich hier kostenlos runterladen können.

Wie groß ist Ihr Mental-Load-Problem?

Im nächsten Schritt geht es an die Aufteilung. Am stressigsten ist übrigens der wiederkehrende und dringende Alltagstrott. Die Kinder vom Kindergarten abholen, Brot kaufen, Essen machen, beim Zähne putzen helfen – diese Dinge lassen sich nicht verschieben, die Steuererklärung und der TÜV-Termin für das Auto schon. Es sollte im besten Fall nicht ein Elternteil alleine für all diese stressigen Aufgaben zuständig sein, sonst droht Überlastung und Erschöpfung, oft begleitet von Streit und Diskussionen.

Zurück zu den Fragen, die ich Ihnen am Anfang gestellt habe. Sollten Sie die einzige Person im Haushalt sein, die die Antworten kennt, haben Sie wahrscheinlich ein gehöriges Mental Load-Problem. Können Sie dagegen keine der Fragen beantworten, haben Sie sich möglicherweise noch nie mit der Familien-Organisation beschäftigt und es wäre dringend an der Zeit, es zu tun. Für mehr Familienfrieden, Ausgeglichenheit und Gleichberechtigung lohnt es sich, den Mental Load zu teilen. In welchem Verhältnis bleibt dabei natürlich jedem Paar selbst überlassen. Wie das konkret geht, wieso stereotype Geschlechterrollen uns das Leben schwer machen und was wir auch gesamtgesellschaftlich verändern sollten (zum Beispiel alleinerziehende Eltern besser unterstützen), darüber habe ich ein Buch geschrieben, das es für besonders erschöpfte Eltern auch als Hörbuch gibt. Denn Care- oder Kümmerarbeit ist die Grundlage unseres Zusammenlebens und sollte entsprechend gewürdigt und gerechter verteilt werden. Die Revolution beginnt zuhause!

Laura Fröhlich hat mittlerweile endlich auch mal den Kopf frei. Sie ist Journalistin, Buchautorin, Expertin für Mental Load und lebt mit Mann und drei Kinder in Ludwigsburg.