Philippe samt Gattin Mathilde bei seiner Krönung zum belgischen König Foto:  

Belgiens König Philippe verärgert seine Untertanen mit seiner Nachsicht gegenüber notorischen Verkehrssündern

Brüssel - Die 100-Tage-Grenze im Amt hat Belgiens König Philippe ohne allzu große Fehler geschafft. Doch jetzt schlägt dem 53-jährigen Monarchen zum ersten Mal seit seiner Inthronisation am 21. Juli ein Sturm der Entrüstung entgegen. Grund: Der Monarch hat bisher elf Begnadigungen von Straftätern unterzeichnet, die heftig umstritten sind. Denn es geht mehrheitlich um Autofahrer, gegen die ein lebenslanges Fahrverbot verhängt wurde. „In Belgien fallen die Strafen für Verkehrsrowdys ohnehin schon deutlich niedriger aus als in den Nachbarstaaten“, schimpfte Karin Junot, Sprecherin des Belgischen Institutes für Straßenverkehrssicherheit, in dem TV-Magazin „Royalty“. „Wer da für den Rest seines Lebens den Führerschein abgeben musste, hat sicherlich nicht nur den Blinker falsch gesetzt.“

Resigniert gab sich auch Vincent Lusse von einer Initiative betroffener Eltern, deren Kinder im Straßenverkehr ums Leben kamen: „Wir verstehen den König nicht mehr.“ Das geht vielen so. Anders als alle seine Vorgänger hatte der König bei seiner Amtsübernahme noch auf die bis dahin übliche Generalamnestie verzichtet. Nun aber, so vermuten vor allem die antimonarchistisch eingestellten flämischen Parteien, wolle das Staatsoberhaupt „einen Rekord“ aufstellen. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: 2011 wurden 70 Menschen begnadigt, 2012 waren es 53. Philippe hat seit Juli dagegen erst elf Begnadigungen ausgesprochen.

Bruder des Königs ist als Raser bekannt

Die flämische Verkehrsministerin Hilde Crevits forderte vom Palast dennoch Einzelheiten zu den Begünstigten. Zumal die königliche Familie in Sachen Verkehrsdelikten selber keine weiße Weste hat. Der 50-jährige Bruder des Königs, Prinz Laurent, bekam den Spitznamen „Prinz Vollgas“ verpasst, nachdem er vor Jahren mit seinem italienischen Sportwagen auf der Autobahn nach Paris einen neben ihm fahrenden Thalys-Hochgeschwindigkeitszug mit Tempo 300 überholt hatte. Auf den belgischen Autobahnen gilt ein generelles Tempolimit von 120 Stundenkilometern. Und auch innerhalb Brüssels blitzte ihn die Polizei mehrfach bei dem Versuch, die geltende Geschwindigkeitsgrenze höchst selbstherrlich auszulegen. 2011 musste er seinen Führerschein schließlich abgeben.

Inzwischen haben Vertreter der flämischen Liberalen und Sozialisten einen Antrag im Parlament angekündigt, um die Begnadigung als „einen Akt aus grauer Vorzeit“ abzuschaffen. Die ehemalige Justizministerin Laurette Onkelinx warnte allerdings: „Mal langsam. Nicht der König trifft die Entscheidungen, sondern die Justizministerin, nachdem der Prokurator des Monarchen, der Generalprokurator und der Gefängnisdirektor zugestimmt haben. Der König unterschreibt lediglich.“ Das mag zwar sein, kann den öffentlichen Zorn aber bisher nicht besänftigen.

Zwei Fragen wollen Politik und Volk jetzt vom Monarchen beantwortet haben: Nach welchen Kriterien wurden die Begnadigten ausgewählt? Und wurden ihre Strafen nur gemildert oder sogar vollständig gestrichen? „Wenn da eine richtige Schweinerei bei rauskommt“, so tobte am Montagmorgen ein sozialistischer Spitzenfunktionär, „sollte sich Philippe warm anziehen. Denn dann kann er sich von einer Mitverantwortung nicht reinwaschen.“