König Carl Gustaf von Schweden wird 70. Foto: dpa

König Carl Gustaf von Schweden hat viele Jahre ein Vorzeige-Leben geführt, bis ihm 2011 ein Enthüllungsbuch zum Verhängnis wurde.

Stockholm - „Beliebt, skandalfrei und ein bisschen langweilig“ – so lautete 1993 die Überschrift eines Artikels in unserer Zeitung anlässlich des Staatsbesuchs des schwedischen Königspaars in Deutschland. Amüsiert liest man den Text, in dem der Autor mutmaßt: „Ein Annus horribilis“ braucht Carl Gustaf nicht zu befürchten“. Annus horribilis – wir erinnern uns dunkel, die lateinische Bezeichnung für schreckliches Jahr, so bezeichnete Englands Königin Elizabeth II das Jahr 1992, als im Hause Windsor gehörig der Haussegen schief hing (Scheidungen, Ehekrisen, Oben-ohne-Fotos, jede Menge Negativschlagzeilen).

Die Untertanen waren stets stolz auf ihre Königsfamilie

Hinterher ist man immer schlauer: Wer hätte schon gedacht, dass das Jahr 2011 einmal genau ein so schlimmes Jahr für den bis dato überaus populären Schwedenkönig werden sollte. Hatte er sich doch so redlich seinen guten Ruf erarbeitet seit er 1973 – vom Volk noch skeptisch beäugt und als Partyprinz verrufen – den Thron bestieg. Stets waren die Untertanen stolz auf ihre Vorzeige-Königsfamilie und darauf, dass in ihrer Monarchie keine „englischen“ Zustände herrschen. Das sollte sich mit dem 2010 erschienenen Enthüllungsbuch „Der widerwillige Monarch“ schlagartig ändern, indem mutmaßliche Eskapaden, Affären und Stripclub-Besuche des Königs beschrieben wurden.

Doch der Reihe nach. Als Carl Gustaf Folke Hubertus Bernadotte am 15. September 1973 als 27-Jähriger König von Schweden wird, ist er der jüngste Monarch der Welt. Seine Position ist unsicher, denn das Land hat sich gerade eine neue Verfassung gegeben. Die Monarchie wird zwar beibehalten, dem Staatsoberhaupt jedoch sämtliche Macht entzogen. Nichtsdestotrotz erlangt die Monarchie im Laufe der Jahre unter Carl Gustaf eine nie dagewesene Zustimmung. Zwar gilt Carls Gustaf zunächst als Hallodri mit Vorlieben für schnelle Autos und schöne Frauen. Das Image streift er jedoch nach und nach ab. Spätestens seit der Märchenhochzeit 1976 mit der Deutschen Silvia Sommerlath herrscht Friede, Freude, Eierkuchen im Land der Elche, Midsommerfeste und Pressspanholzmöbel. Drei wohlgeratene Kinder krönen das Familienglück, viele Jahre hat man neidlos anerkennen müssen: läuft bei den Bernadottes.

Irgendwann schrieben die Zeitungen nicht mehr über das Privatleben

Zwar schrieben die Zeitungen viel und gerne, wenn sich Carl Gustaf blamierte: wenn er als Temposünder auf Autobahnen ertappt wurde, wenn er verschrobene, altmodische Ansichten über Bildung oder Gleichberechtigung äußerte oder den diktatorischen Sultan von Brunei als „volksnah“ lobte. Doch über das Privatleben schrieben sie nicht mehr.

Aber, aber, hat da tatsächlich jemand geglaubt, dass aus einem illustren Lebemann jemals ein rechtschaffener Biedermann werden könnte? Einmal Playboy, immer Playboy. Und so bröckelt nach vielen Jahren des Anstands und des Protokolls die makellose Fassade als im November 2010 eine von Carl Gustaf nicht autorisierte Biografie erscheint. Die Autoren Thomas Sjöberg, Deanne Rauscher und Tove Meyer sorgen mit „Der widerwillige Monarch“ für internationale Schlagzeilen. In dem Buch wird dem König nachgesagt, er habe in jüngeren Jahren Kontakte ins Rotlichtmilieu gehabt und ausschweifende Partys mit Popsternchen und Callgirls gefeiert.

Der Stoff aus dem die Träume der Boulevardjournalisten sind

Zudem wird ihm darin eine lang zurückliegende Affäre mit der Sängerin Camilla Henemark nachgesagt. Manche werden sich noch dunkel entsinnen: das war die Frontfrau der schwedischen Popgruppe „Army of Lovers“ („Crucified“, 1991), der man mit ihrer extravaganten Mischung aus Travestie-, Burlesque und Lapdance-Optik alles mögliche unterstellt hätte, aber nicht unbedingt eine Affäre mit dem vermeintlich biederen Schwedenkönig. Das war der Stoff aus dem die Träume der Boulevardjournalisten sind: der Blaublütige und die Verruchte. Wow, da war was los in der Gerüchteküche. Arme Silvia, dachte man die ganze Zeit und hoffte für sie, dass sich die Welle aus Empörung, Sensationslust und lüsterner Neugier bald wieder legen würde.

Carl Gustafs Versuch, die Geschichten zu begraben, hat alles nur noch schlimmer gemacht. Bei einem missglückten Medienauftritt nach einer Elchjagd hatte er umständlich beteuert, dass das, was geschehen sei, „weit zurück“ liege und er und seine Familie nun „nach vorne schauen“ wollten. Doch weder bestätigte noch dementierte er die Schilderungen seiner Biografen, und so bleibt es bis heute im Nebulösen, was tatsächlich dran ist an den „Enthüllungen“. Die Welle hat sich inzwischen gelegt, doch eines wird wohl nie wieder in einer Zeitung über Carl Gustaf stehen: „Beliebt, skandalfrei und ein bisschen langweilig.“