Liebesschlösser an der Hohenzollernbücke in Köln Foto: Foto: dpa

Trend der Liebe: In Köln schwören sich immer mehr Paare mit Liebesschlössern ewige Treue.

Köln - "Love forever" steht auf ihnen geschrieben oder "Schutz, Familie, Halt": Liebesschlösser, mit denen sich Paare ewige Treue schwören, lassen sich an immer mehr Orten finden. Mehr als tausend sind es bereits in Köln.

Die Hohenzollernbrücke wird immer schwerer. Auf die Dauer könnte man befürchten, sie gerät in Schieflage. Weit über tausend Vorhängeschlösser sollen bereits an dem fast 400 Meter langen Gitter zwischen dem Fußweg und den Eisenbahnschienen in Köln hängen. Auf eines sind mit blauem Filzstift die Worte "Love forever" gemalt, unterbrochen durch ein Herzchen. Ein anderes trägt die Aufschrift "Schutz, Familie, Halt". Auf der Abdeckung ist "Zukunft" zu lesen. Und in ein Schloss aus Kunststoff sind ungelenkig zwei Namen eingebrannt.

Kein Mensch soll ihre Verbidung trennen

Die beschrifteten Liebesschlösser erinnern an Klowände oder Bushaltestellen, an die Jugendliche ihre Treueschwüre schmieren. Oder an ein Wäldchen, dessen Bäume in die Rinde geritzte Herzchen tragen. Sie sind auch vergleichbar mit den Verlobungsanzeigen in den Tageszeitungen. Welche Parallele man auch immer zu diesem neuen Phänomen der Popularkultur ziehen will, um seinem Sinn auf die Spur zu kommen: Es sind Zeugnisse von Menschen, die auf der Brücke öffentlich ihren Bund für eine anonyme Öffentlichkeit dokumentieren.

So neu die Vorhängeschlösser bei uns sind - der Brauch soll aus Italien kommen und ist auch in China bekannt -, so schwer sind auch die Hintergründe zu klären. Dagmar Hänel, Kulturforscherin am Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Rheinland, wurde im Spätsommer 2008 auf das Phänomen aufmerksam. Doch bis heute war niemand bereit, mit der Wissenschaftlerin über den Ablauf seines ganz persönlichen Aufhängerituals und die Intention zu sprechen. Für Liebespaare soll es dazugehören, die zum Schloss gehörigen Schlüssel über die Schulter in den Rhein zu werfen, auf dass kein Mensch mehr ihre Verbindung trennen kann. Aber wie muss man sich die Szene auf der Brücke vorstellen, wenn eine Freundesgruppe oder eine ganze Familie das Schloss gemeinsam anbringt?

Ausdrucksform Kölner Lebensfreude

Die Brücke selbst bot bislang den Forschern Ansatzpunkte zur Interpretation: Die Flussquerung als Allegorie der Verbindung, des Übergangs von einem Kapitel zum nächsten im Strom des Lebens, also vom Junggesellendasein zur mehr oder weniger festen Beziehung. Jugendliche, die mit ihrer ersten Liebe auf die Brücke treten, meinen ein Liebesschloss sicherlich eher spielerisch. Aber für Paare mit ernsten Absichten kann es ein Ersatz sein für traditionelle Rituale der Eheschließung, denn die Zahl standesamtlicher und kirchlicher Hochzeiten sinkt stetig.

Da verwundert es nicht, dass das auf Partnerschaft bezogene Bild des Schlüssels, der nur zu einem Schloss gehört, seine Verbreitung findet. Damit knüpft der Brauch an sinnfällige Motive des Aberglaubens an: Um eine Geburt zu erleichtern, soll man alle Schlösser des Hauses öffnen. Leidet hingegen eine Person an Maulsperre, soll man einen Schlüssel in ihrem Mund drehen, was den Krampf löst. Doch nun beobachten Forscher nicht nur, dass andernorts Liebesschlösser auftauchen, wie auf der alten Weseler Eisenbahnbrücke am Niederrhein. Sie stellen auch fest, dass sie ihre Interpretation überdenken müssen, denn seit einigen Monaten finden sich Schlösser an Bauwerken, die gewiss keine Brücken sind.

Ausdrucksform Kölner Lebensfreude

Dazu gehört das Gasometer Oberhausen. Der 117 Meter hohe Zylinder speicherte ab 1929 Gas und ist seit 20 Jahren eine Ausstellungshalle. Vom Dach aus lässt sich bei gutem Wetter das gesamte Ruhrgebiet überblicken, allerdings durch ein Stahlgitter hindurch. Daran finden sich bereits einige Liebesschlösser. Melanie und Johannes etwa, so ist auf einem davon zu lesen, haben hier ihre Verbundenheit bestärkt. Nur sechs Kilometer entfernt vom Gasometer liegt ein anderer Aussichtspunkt. Das Tetraeder in Bottrop, eine 65 Meter hohe pyramidenförmige Stahlrohrkonstruktion, ist höher als die Abraumhalde selbst, auf der es steht. Auch hier finden sich an den Absperrgittern beschriftete Vorhängeschlösser.

An beiden Orten ist weit und breit kein Gewässer zu finden, auf dessen Grund die weggeworfenen Schlüssel sinken könnten, bewacht von Fischen, unerreichbar für die Liebespaare. Wohin verschwinden also die Schlüssel? Sicherlich haben die Menschen im Ruhrgebiet dafür eine eigene Lösung gefunden, die an die Tradition als Industriestandort anknüpft. Vielleicht hat es etwas mit Einschmelzen zu tun, gab es doch einmal so viele Hochöfen an der Ruhr. Denn ein Liebesschloss, zu dem weiterhin Schlüssel existieren, genügt wohl kaum als Beweis großer Gefühle.

Die Kölner haben solche Probleme nicht, denn sie haben ja den Rhein. Längst sind die Schlösser zu einer Ausdrucksform dessen vereinnahmt worden, was man dort für lokaltypische Lebensfreude hält. Wie singen die Höhner? "Komm, sei die Königin in meinem Königreich, ich schenk' dir heut ein Schloss am Rhein."