Markus Söder spricht im bayerischen Landtag, Horst Seehofer hört zu. Foto: dpa

Die schwarz-gelbe Koalition setzt ihren internen Streit um die Gesundheitsreform in aller Schärfe fort.

Berlin - Da helfen alle Beschwichtigungsversuche nicht: Die Koalition setzt ihren internen Streit um die Gesundheitsreform in aller Schärfe fort, und die Atompolitik spaltet Schwarz-Gelb. Die stärksten Geschütze in der hitzig geführten Debatte fahren die Bayern auf.

Markus Söder ist 42 Jahre alt, christsozialer Doppelminister und laut. Vor allem laut. Der bayerische Ressortchef für Umwelt und Gesundheit mit Hang zum resoluten Auftritt hat am Freitag wieder so einen Tag hingelegt, der ihm - vor allem ihm - viel Freude bereitet haben wird.

"Seriöse, glaubwürdige Haltung der Koalition verlassen"

Erst zürnte er im Verein mit den CDU-Umweltministerinnen aus Hessen und Baden-Württemberg dem Amtskollegen in der Bundesregierung, Norbert Röttgen (CDU). Dann freute er sich über eine kleine Tretmine, die er via Interview in das Dickicht der Gesundheitsreform platzierte. Der Reihe nach:

Auftritt eins: Bundesrat, Berlin. Markus Söder zieht mit seinen Kolleginnen Tanja Gönner (Baden-Württemberg) und Silke Lautenschläger (Hessen) vor die Presse und ist vor allem "enttäuscht". Der Bundesumweltminister habe die "seriöse, glaubwürdige Haltung der Koalition verlassen".

Der Stein des Anstoßes: Röttgen hatte an die Union appelliert, sich bald von der Atomkraft abzusetzen und möglichst konsequent auf erneuerbare Energien umzusteigen. Tanja Gönner warf Röttgen sogar vor, dass er sich mit seinem Vorstoß nicht mehr auf dem Boden des Grundsatzprogramms der Union bewege.

Die Söderei der Bayern nervt die FDP

Ihre Kollegin aus Hessen erklärte, weite Teile der Union seien hochgradig irritiert über dessen Vorpreschen. Nun habe man "Erwartungen an den Norbert", so Söder: Der gibt Röttgen den Rat, ihm würde es "sicher guttun, wenn er sich in seiner Lernphase" im Ministeramt einmal mit den Verantwortlichen für die Atomanlagen treffen würde. Die Verantwortlichen? Nun ja, damit meint Söder niemanden Geringeren als sich selbst und seine beiden Kolleginnen aus den anderen Ländern. Sie sind zuständig für elf von 17 Atomkraftwerken, die es bundesweit noch gibt.

Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) wird später unterstreichen, dass ihm das Schicksal von Neckarwestheim I sehr am Herzen liegt. Er ist strikt gegen Röttgens atomkritischen Kurs. Mappus warnt Röttgen, von der bisherigen Linie der Union abzuweichen. "Es wäre völlig inakzeptabel, wenn der Reaktor Neckarwestheim I abgeschaltet würde", sagte der neue baden-württembergische Regierungschef der "Stuttgarter Zeitung" Der Bundesumweltminister müsse vielmehr eine Übergangslösung finden, die den Weiterbetrieb von Neckarwestheim I ermögliche.

"Mit der CSU wird es keine Kopfpauschale geben"

Beim zweiten Auftritt agiert Söder eher indirekt. "Mit der CSU wird es keine Kopfpauschale geben", sagt er in einem Interview. Mehr noch: Nicht einmal den Einstieg in ein einkommensunabhängiges System - das ist das absolute Minimalziel von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) - werde es mit der CSU geben. Was Rösler da will, sei alles eine große soziale Mogelpackung. Das ist starker Tobak, schließlich steht die Absicht, den Einstieg in ein Pauschalen-Modell zu schaffen, im Koalitionsvertrag. Damit erteilt die CSU erstmals öffentlich der Kopfpauschale eine Absage.

Die FDP reagierte, wie zu erwarten war, alarmiert. FDP-Gesundheitsexpertin Ulrike Flach sprach von "Dauer-Söderei". Da jedenfalls sorgt Söder für eine ungewollte Einigkeit von FDP und CDU. Denn Genervtheit spricht auch aus den Worten des CDU-Fachmanns Jens Spahn. Der sagte unserer Zeitung, es brauche "keine ständigen Belehrungen aus München", denn allen in Berlin sei klar, "dass wir angesichts der Haushaltslage nur in kleinen Schritten werden starten können". Aber "entscheidend" sei, "dass der vereinbarte Einstieg gelingt".

Der Konflikt ist programmiert. Denn auch der meist moderate CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: "Ich glaube, dass die Gesundheitsprämie auf absehbare Zeit nicht realisierbar ist. Nicht unter der Prämisse eines Sozialausgleichs - der aber ist unverzichtbar." Jetzt müssten "die richtigen Prioritäten" gesetzt werden, und "oberstes Ziel ist, die Ausgaben in den Griff zu bekommen". Die CSU hat die Prämie also schon beerdigt.