Flüchtlinge wie dieser junge Mann feiern Merkel bei ihrer Ankunft in München. Die CSU dagegen ist weniger erfreut. Foto: dpa

Ohne die Länder einzubinden, hat die Bundesregierung tausende Syrien-Flüchtlinge einreisen lassen. Das stößt besonders der CSU sauer auf.

München - Horst Seehofer verbirgt den Ärger nur mühsam. Eine klare Position bei der Verteilung der Flüchtlinge in der EU, die fordert der CSU-Vorsitzende von seiner Bundeskanzlerin am Sonntag bei der Feierstunde zum 100. Geburtstag von Franz Josef Strauß. Was im Umkehrschluss bedeutet: Seehofer vermisst da etwas bei Angela Merkel. Etwa die Botschaft: „Wir können als Bundesrepublik nicht auf Dauer bei 28 Mitgliedstaaten beinahe sämtliche Flüchtlinge aufnehmen. Das hält auf Dauer keine Gesellschaft aus.“

Da horchen viele Christsoziale auf und fragen sich: Wie hätte Strauß – von Seehofer als „Staatsmann mit weltweiter Dimension“ und „Schöpfer des modernen Bayern“ gerühmt – seinen Zorn über die in Berlin wohl ausgedrückt? Doch Seehofer ist nicht Strauß und die CSU nicht mehr, was sie zu FJS-Zeiten war. Trotzdem will man Merkel – die sich mit ihrem Flüchtlingskurs auf das sozialdemokratische Wohlwollen verlassen kann – nicht so abgehoben gewähren lassen. Intensive Gespräche mit der Regierungschefin Merkel beim abendlichen Koalitionsgipfel kündigt Seehofer also an und fordert deutlich schnellere Asylverfahren für Menschen ohne Bleibeperspektive – nur wenige Tage oder Wochen. Es gehe nicht, dass bis Jahresende voraussichtlich 350 000 unerledigte Asylverfahren aufliefen.

Merkel habe sich nicht mit Ländern abgesprochen

Seehofer malt schwarz, warnt vor einem Stimmungsumschwung in puncto Willkommenskultur. „Eine demokratisch legitimierte Rechte verhindern Sie nur, wenn Sie die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung aufnehmen“, ruft er Merkel zu.

Wie groß der Ärger der kleinen Schwester wirklich ist, hatte Generalsekretär Andreas Scheuer bereits am Samstagabend kundgetan: Das Parteipräsidium habe in einer eigens einberufenen Telefonkonferenz Merkels Entscheidung für eine Aufnahme Tausender in Ungarn festsitzender Flüchtlinge einmütig als „falsche Entscheidung“ gerügt. Gleich mehrere Präsiden hätten vor einer „zusätzlichen Sogwirkung“ gewarnt und festgestellt: „So kann es nicht weitergehen.“ Zumal die Entscheidung der Bundesregierung, die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge über Österreich einreisen zu lassen, mit den Ländern nicht einmal abgesprochen gewesen sei.

Hans-Peter Friedrich: „Wir sind sauer, und zwar nachhaltig“

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann wählt die klare Ansprache: Das alles sei doch ein „völlig falsches Signal innerhalb Europas“. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller legt prompt in Richtung Brüssel nach. „Bei vielen EU-Projekten habe ich durchaus meine Zweifel, dass die Mittel effizient eingesetzt werden“, lässt er ein Nachrichtenmagazin wissen. Was alles recht harmlos gegenüber dem klingt, was Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit unserer Zeitung zu Protokoll gibt: „Wir sind sauer, und zwar nachhaltig.“ Womit der bayerische Kropf in Richtung CDU und SPD noch nicht geleert ist: „Die können sich jetzt jeglichen Firlefanz in Zukunft, etwa bei der Zuwanderung, abschminken“, schimpft der ehemalige Bundesinnenminister am Sonntag.

CDU-Innenexperte Bosbach gibt Merkel Rückendeckung

Nein, so eine Revolte gibt es nicht oft. Eine provozierend offen lancierte Verstimmung über Merkels Kurs: Das will im Berliner Koalitionsbetrieb schon einiges heißen. Da wirkt es eher pflichtschuldig, wenn der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach Rückendeckung gibt: „Die Bilder aus Ungarn machen deutlich, dass die Flüchtlinge in einer dramatischen Notsituation waren. Ich bin fest davon überzeugt, dass ohnehin niemand die Menschen an ihrer Weiterreise nach Deutschland hätte hindern können.“

Wieder einmal erlebt man in Bayern, dass Merkel darauf zu bauen scheint – wie bei der ausufernden Griechenland-Hilfe –, vor allem Zuspruch aus den SPD-Reihen zu bekommen. Kein Wunder, dass SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi die Kanzlerin am Sonntag ausdrücklich lobt: „Die Entscheidung der Bundesregierung in dieser humanitären Ausnahmesituation war die einzig richtige“, sagt Fahimi.