Luigi Di Maio (links) und Matteo Salvini passen besser zusammen, als es scheinen mag. Foto: AP, StZ

66 Regierungen in 73 Jahren. Da ist die Frage erlaubt, wie lange sich denn die aktuelle Regierung in Rom an der Macht halten kann. Doch da gibt es verschiedene Antworten.

Rom - Die Regierung in Rom steht kurz vor dem Auseinanderbrechen. Diesen Eindruck gewinnt zumindest jeder, der die italienische Presse verfolgt. Nahezu täglich wird das Ende prophezeit. Im Land der Regierungswechsel wäre das nicht einmal ungewöhnlich. Das Kabinett von Ministerpräsident Giuseppe Conte ist schließlich Nummer 66, gezählt ab 1946. Doch die ungleichen Partner der Regierung, der Lega-Chef Matteo Salvini und Luigi Di Maio, der Führer der Fünf-Sterne-Bewegung, werden trotz ihrer täglichen Querelen nicht müde zu betonen: Wir bleiben die vollen fünf Jahre an der Macht.

Auch wenn sich immer lauterer Protest gegen die harte Linie von Innenminister Salvini regt, zeigen die Umfragen, dass die Mehrheit der Italiener recht zufrieden ist mit der Regierungskoalition. Rund 60 Prozent würden bei einer Wahl einer der beiden Parteien ihre Stimme schenken. Wobei die rechte Lega, die eigentlich mit 17 Prozent Wahlergebnis als Juniorpartner in der Regierung sitzt, ihren Koalitionspartner längst überholt hat: Sie liegt stabil bei etwa 32 Prozent. Das ist der Wert, der die Fünf-Sterne-Bewegung noch bei den Wahlen im März zur stärksten Partei machte. Derzeit liegen die Populisten allerdings nur noch bei etwas mehr als 25 Prozent.

Berlusconi ist keine Alternative für Salvini

Eine Bewährungsprobe für die Regierung steht am 19. Februar an: die Abstimmung im Senat darüber, ob Salvini wegen des Festhaltens von aus Seenot geretteten Migranten auf dem Schiff „Diciotti“ im vergangenen August vor Gericht gestellt wird. Stimmen die Abgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung dafür, wäre das ein Affront und wohl das Ende der Regierungszusammenarbeit mit Salvini. „Das ist zwar nicht komplett auszuschließen“, sagt Giovanni Orsina, Professor der Politikwissenschaften in Rom. „Aber es ist schon ein sehr unwahrscheinliches Szenario. Keine der beiden Parteien würde vom Platzen der Regierung profitieren.“

Denn auch der Chef der Lega gewinnt durch die derzeitige Situation an allen Fronten: Regional in der weiter bestehenden Allianz mit der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi und national als starker Mann der Regierung. Käme es zu vorgezogenen Wahlen, müsste er sich entscheiden. „Sobald sich Salvini offiziell auch auf nationaler Ebene wieder Berlusconi zuwendet, verliert er die Stimmen, die er in den vergangenen Monaten von der Fünf-Sterne-Bewegung auf sich ziehen konnte“, so Orsina. Außerdem würde Salvini in einer Koalition mit dem Cavalliere bei weitem nicht solche Freiheiten genießen, wie er es als Partner der Fünf-Sterne-Bewegung tut.

Noch mehr dürfte der Fünf-Sterne-Bewegung daran gelegen sein, die Regierung am Leben zu halten. Viele der jetzigen Abgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung würden nämlich ihr Amt bei einer Neuwahl verlieren – inklusive der großzügigen Bezüge. Vor allem Luigi Di Maio würde als großer Verlierer aus dem Scheitern der Regierung hervorgehen: Laut dem Statut der Fünf-Sterne-Bewegung darf jeder nur zwei Mal gewählt werden. Der 32-Jährige befindet sich bereits in seiner zweiten Amtszeit.

Über Neuwahlen entscheidet der Staatspräsident

Auch inhaltlich konnten die Fünf Sterne die Wähler noch nicht von ihrer Regierungsarbeit überzeugen. Wer für die Einführung des Bürgergeldes, dem politischen Steckenpferd der Fünf-Sterne-Bewegung, war, ist von der nun abgespeckten Umsetzung enttäuscht. Und wer von Anfang an dagegen war, ist es noch immer. Ein baldiges Auseinanderbrechen der Regierung sieht Politik-Experte Orsina daher nicht kommen, schon gar nicht eines noch vor den Europawahlen Ende Mai: „In Italien war es schon immer so: Derjenige, der die Regierung zum Scheitern bringt, verliert bei den kommenden Wahlen. Das will sicher niemand riskieren.“

Sollte die Regierung Conte dennoch vor ihrem natürlichen Ende 2023 scheitern, bleibt die Frage, ob es dann auch zu vorgezogenen Wahlen kommen würde. Denn darüber entscheiden nicht Matteo Salvini oder Luigi Di Maio, sondern der Staatspräsident, Sergio Mattarella. Der 77-Jährige gilt als besonnener Verfassungshüter. Bereits bei der Bildung der jetzigen Koalition tat er alles, um aus dem Willen des Volkes eine handlungsfähige Regierung zu formen. Außerdem hat sich der Hang zu vorgezogenen Wahlen weitestgehend gelegt. Von den vergangenen sieben Wahlen waren nur noch drei vorgezogen, die letzte 2008.