Ein kleines Boot schwimmt inmitten eines Eisbergfeldes bei Kulusuk. Grönland ist besonders vom Klimawandel betroffen. Foto: /Felipe Dana/dpa

Der Eisverlust in Grönland schreitet dramatisch voran: Seit 1992 stieg der Meeresspiegel durch das geschmolzene Eisschild der Insel um fast elf Millimeter. Bis Ende des Jahrhunderts könnten es 20 Zentimeter werden.

Bremerhaven - Das grönländische Inlandeis hat 2019 einen neuen Negativrekord erreicht: Der Masseverlust war größer als im bisherigen Rekordjahr 2012. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) und des Potsdamer Geoforschungszentrums (GFZ). Die Wissenschaftler hatten dafür Satelliten- und Modelldaten ausgewertet. Die Studie erschien am Donnerstag im Fachjournal „Communications Earth & Environment“.

2017 und 2018 hatte es nur geringe Massenverluste gegeben. „Nach zwei Jahren ‚Atempause’ sind 2019 die Massenverluste wieder stark angestiegen und übertreffen alle Jahresverluste seit 1948, wahrscheinlich sogar seit über 100 Jahren“, sagte Ingo Sasgen, Glaziologe am AWI in Bremerhaven und Autor der Studie. Als Inlandeis – auch Eisschild genannt – wird eine flächenartige Vergletscherung bezeichnet, die das vorhandene Relief fast vollständig bedeckt.

Lesen Sie hier: Grönland – Zum Schmelzen schön

Schneefall gleicht Eisverluste nicht mehr aus

Das Inlandeis in der Antarktis und das in Grönland sind die größten Eisschilde der Erde. Die Massenbilanz eines Jahres ergibt sich aus der Differenz zwischen Eiszunahme durch Schneefall und Eisverlusten durch Schmelzen und Eisausstoß am Rand in den Ozean.

Die Massenverluste in Grönland fielen den Angaben zufolge 2019 mit 532 Milliarden Tonnen deutlich höher aus als im bisherigen Rekordjahr 2012 (464 Milliarden Tonnen). Dies entspreche einem global gemittelten Meeresspiegelanstieg von 1,5 Millimetern.

Erst Mitte August hatten Forscher von der Ohio State University berichtet, der Eisverlust von Grönland beschleunige sich und sei nicht mehr zu stoppen, selbst wenn die Erderwärmung sofort ende. Der jährliche Schneefall reiche nicht mehr, um ihn aufzuwiegen.

Lesen Sie hier: Klimawandel macht Arktis zum Konfliktgebiet – Kein weißer Fleck mehr

Massive Eisschmelze auf Grönland

Der schmelzende Eisschild Grönlands hat den weltweiten Meeresspiegel seit 1992 bereits um 10,6 Millimeter steigen lassen. Das zeigen Ergebnisse einer umfangreichen Untersuchung von Forschern der University of Leeds (Großbritannien) und des Nasa Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (US-Bundesstaat Kalifornien) vom Dezember 2019.

Von 1992 bis 2018 seien auf der Insel etwa 3800 Milliarden Tonnen Eis geschmolzen und ins Meer geflossen, schreibt eine Gruppe von 96 Wissenschaftlern von 50 internationalen Organisationen in der Fachzeitschrift „Nature“. Bei Fortsetzung des Trends könnte das schmelzende Grönlandeis bis 2100 etwa 20 Zentimeter zum Anstieg des weltweiten Meeresspiegels beitragen.