Können E-Reader eine klimafreundlichere Variante zu Büchern sein? Foto: dpa/Marc Tirl

Papierverbrauch, Druck, Einschweißfolien: In der Buchbranche besteht in Sachen Klimaschutz noch jede Menge Nachholbedarf. Doch viele Verlage beginnen nun umzudenken.

Frankfurt - Wie klimaschädlich ist die Produktion eines Buches? Und wie können Verlage nachhaltiger arbeiten? In Zeiten wie diesen kann wohl kaum jemand auf einen Klimacheck verzichten - auch nicht die Buchbranche. „Die Verlage beginnen die Zeichen der Zeit zu erkennen, die Betonung liegt auf beginnen“, sagt Anke Oxenfarth vom Oekom Verlag in München. „Es gibt einige Vorreiter, die viel tun - und es gibt andere, die mal eine Einschweißfolie weglassen und gleich denken, groß etwas für die Umwelt geleistet zu haben.“

Viele Druckereien auf mineralölfreie Farben umgestiegen

Wo liegt das Hauptproblem? „Die Achillesferse ist das Papier“, sagt Oxenfarth, die bei ihrem Verlag die Stabstelle Nachhaltigkeit leitet. „Noch immer werden dafür Primärwälder gerodet mit den bekannten Folgen für die Biodiversität und fürs Klima.“

Lesen Sie hier: Faktencheck Vegetarier – wie schützt eine fleischlose Ernährung das Klima?

Ein guter Ansatz seien die verschiedenen FSC-Zertifikate, die beispielsweise nachweisen, dass das Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammt. Aber um wirklich umweltfreundlich zu produzieren, gebe es eigentlich nur eine Lösung: hundertprozentiges Recyclingpapier, dessen Produktion beispielsweise deutlich weniger Wasser verbraucht. Allerdings spielten hier auch der Preis und die Verfügbarkeit eine Rolle.

2015 hat der Verlag das Umweltzeichen „Blauer Engel“ für emissionsarme und ressourcenschonende Druckprodukte mitinitiiert. Ein Kooperationspartner war die Frankfurter Buchmesse, gefördert wurde das Projekt vom Umweltministerium. 2018 lag beim Oekom-Verlag der Anteil von Recyclingpapier bei 96 Prozent. Diese Quote könne 2019 aufgrund höherer Kosten und Lieferengpässen leider nicht gehalten werden. Fortschritte gibt es Oxenfarth zufolge beim Druck, da viele Druckereien inzwischen auf mineralölfreie Farben umgestiegen sind.

Buchbranche kaum Anteil am Papierverbrauch

„Die Papierherstellung ist grundsätzlich eine der energieintensivsten Industrien - und die Produktion steigt weiter deutlich an“, erklärt Johannes Zahnen von der Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund For Nature). Aber er sagt auch: In Deutschland mache die Buchbranche nur einen geringen Anteil am Papierverbrauch aus, der Löwenanteil gehe auf die Werbe- und die Verpackungsindustrie.

Lesen Sie hier: Neuer Bericht des Weltklimarats – so steht es um Weltmeere und Gletscher

Bei den großen Publikumsverlagen wird man sich des Problems bewusst, etwa bei C.H. Beck in München. „Wir produzieren jährlich etwa 1200 neue Titel mit unterschiedlichen Auflagen. Diese Jahresproduktion bedeutet einen Ausstoß von 13 000 Tonnen Kohlendioxid“, sagt Jonathan Beck, Verleger in siebter Generation. Laut Umweltbundesamt entspricht das dem jährlichen Fußabdruck von 1120 Bundesbürgern (ca. 11,6 Tonnen pro Person) oder der Produktion von 2000 Autos (6 bis 7 Tonnen pro Auto).

Papierfirmen müssen energieeffizienter arbeiten

Etwa die Hälfte der Produktion kompensiert der Verlag: „Wir erfassen die für Herstellungsprozess erforderliche Energie und das CO2, indem wir mit Druckereien und Papierherstellern sprechen. Dafür kaufen wir im gleichen Umfeld Zertifikate für ein Klimaschutzprojekt in Kenia“, sagt Beck. Das sei aber nur eine kurzfristige Lösung. „Mittelfristig müssen es Papierfirmen schaffen, noch energieeffizienter zu arbeiten - und da kann sanfter Druck der Verlage nicht schaden.“

Den Holtzbrink-Buchverlagen, die sich das Thema Nachhaltigkeit schon länger auf die Fahnen schreiben, ist es nach eigenen Angaben gelungen, die Kohlendioxid-Freisetzung seit 2010 zu halbieren. Das sei durch verschiedene Maßnahmen gelungen - von Veränderungen beim Papiereinkauf bis zu Standortentscheidungen, erklärt CEO Joerg Pfuhl. „Die Entwicklung schreitet voran. Wir wollen so wenig wie möglich über Zertifikate und ähnliche Maßnahmen kompensieren, sondern Energieverbrauch und CO2-Emission direkt angehen.“

Einschweißfolie ist ein Problem

Ein weiteres Problem, dem sich die Branche zunehmend stellen muss, ist die Einschweißfolie. Laut dem Börsenverein des deutschen Buchhandels verbrauchen die rund 3 000 Verlage in Deutschland jährlich rund 16 Millionen Quadratmeter für das Verpacken von Hardcover-Büchern – was einer Fläche von rund 2 230 Fußballfeldern entspricht.

Beim Beck-Verlag gibt es viele Produktreihen, die noch nie eingeschweißt wurden, wie Taschenbücher oder Hardcover ohne Schutzumschlag. Bei den anderen Büchern ist man noch unsicher. „Wir stecken viel Arbeit in die Gestaltung, und das hat seinen Preis, ich kann einen Kunden verstehen, der nicht 40 Euro für ein Buch zahlen will, das kleine Risse hat“, sa+6gt Verleger Beck.

Können E-Reader eine klimafreundlichere Variante sein?

Zudem bestehe die Gefahr, dass die beschädigten Bücher nicht verkauft würden und kosten- und klimaaufwändig wieder als Remittenden zurückgingen. „Ich hoffe eher darauf, dass Folie künftig aus umweltfreundlicherem Recyclingmaterial hergestellt wird.“ Anders sieht es der Oekoem Verlag: „Wir haben 2016 begonnen, auf Folien zu verzichten, um zu schauen, was passiert. Die Befürchtung, dass die Zahl der Remittenden steigt, ist nicht eingetreten“, sagt Oxenfarth.

Und auch bei Ullstein erscheint inzwischen ein Großteil der Bücher ohne Plastikumhüllung. Die Reaktion bei Kunden und im Handel sei sehr positiv, hieß es im Verlag. Bleibt die Frage: Können E-Reader eine klimafreundlichere Variante zu Büchern sein? Schließlich sind die Geräte nicht gerade für ihre ressourcenschonende Herstellung bekannt. „Schwierig“, meint Oxenfarth. „Wenn ein Lesegerät mindestens zwei bis drei Jahre im Einsatz ist und wenn darauf im Jahr mehr als 20 Bücher gelesen werden, dann ist es eine Alternative - sonst nicht.“