Solaranlagen – einige Städte machen sie zur Pflicht bei Neubauten. Foto: dpa

Der internationale Klimagipfel in Heidelberg will die Regionen und Kommunen einbinden in den Schutz vor der Erderwärmung. Dabei sind einige Städte und Gemeinden aus dem Südwesten schon „Pioniere“.

Heidelberg - Rund die Hälfte der Weltbevölkerung lebe bereits in Städten und die produzierten mehr als 60 Prozent der Treibhausgasemissionen, berichtet Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei der Eröffnung des internationalen Klimagipfels ICCA am Mittwoch in Heidelberg mit 700 Teilnehmern. Die Konferenz von Bund und Land sei „ein Meilenstein“ auf dem Weg zu einer von UN-Generalsekretär Antonio Guterres für September in New York geplanten ICCA-Klimagipfel. Der legt zwar keine Ziele fest, will aber alle Akteure – auch Regionen und Kommunen – einbinden und ihnen „Aktionen“ empfehlen. „Wir brauchen die Städte für den Klimaschutz“, sagt Schulze. „Es gibt hier viele Pioniere, die etwas dafür tun.“

Ähnlich sieht das Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der stolz auf das von ihm und dem kalifornischen Gouverneur Jerry Brown gegründete globale Bündnis der Regionen „Under2Coalition“ ist, das die Erderwärmung auf unter zwei Grad halten will und heute schon 220 Mitglieder zählt, die 1,3 Milliarden Menschen vertreten. „Wenn die Polkappen erst schmelzen, können wir den Klimawandel nicht mehr bremsen. Jetzt zu handeln, gebietet die praktische Vernunft.“ Ähnlich denken auch die Bürgermeister aus weltweit 1000 „Energy Citys“ in 30 Ländern, die mit eigenen Plänen das Klima schützen wollen.

Ministerin Schulze verweist auf Förderprogramme des Bundes, räumt aber auch ein, „dass den Kommunen ein ordnungspolitischer Rahmen“ für besseren Klimaschutz fehle. Trotzdem haben viele Städte und Gemeinden damit schon angefangen. Drei vorbildliche Kommunen sind genannt worden.

Drei Pioniere für den Klimaschutz

Heidelberg Schon die knalligen, orangefarbenen Radwege in Heidelberg und die Radfahrer begünstigenden Ampeln zeigen: in der Stadt am Neckar mit ihren 150 000 Einwohnern ist der Autofahrer Nummer zwei, die Radfahrer haben hier das Sagen. Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) betont, dass 69 Prozent der Bürger im Berufsverkehr Rad, Bus oder Bahn nutzen – ein „hervorragender Wert“. „Wir wollen als Städte ein klimapolitisches Signal setzen“ sagt Würzner. „Die Bürger fordern uns dazu auch auf.“ Gemeinsam mit dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar werden 100 Millionen Euro in den Ausbau des ÖPNV investiert, 10 000 Leute sollen als neue Bus- und Bahnkunden gewonnen werden, davon 7000 als Umsteiger vom Auto. Beim Bau von Passivhäusern macht Heidelberg Schlagzeilen: bis 2022 entsteht auf einem alten Bahn- und US-Militärgelände die mit 300 Wohneinheiten größte Passivhaus-Siedlung der Welt, die Wohnungen brauchen wegen der guten Dämmung keine Heizungen. Würzner sagt, die Region Heidelberg habe 120 000 zukunftsorientierte Arbeitsplätze: „Wir zeigen, das Wachstum ohne Klimaschädigung möglich ist.“

Tübingen Der grüne OB Boris Palmer erläuterte vor Bürgermeistern und Landräten das in der Uni-Stadt vor Jahren eingeführte Klimakonzept „Tübingen macht blau“, ein Bündel von Maßnahmen, für das die Stadt mehr als ein Dutzend Umweltpreise erhalten hat, darunter den renommierten European Energy Award in Gold. Eine Solarpflicht bei Neubauten, Förderung der Gebäudesanierung, Car-Sharing, Mitfahrbänke, Forcierung des Öko-Stroms und des ÖPNV sowie „blaue Sterne“ für energieeffizient arbeitende Betriebe sind Schlüsselbegriffe. Vor vier Jahren stellte der Gemeinderat das Ziel auf, energiebedingte Kohlendioxid-Emissionen pro Kopf bis 2022 um ein Viertel gegenüber 2014 zu senken. Palmer sieht Städte in der Pflicht: „Um die Ziele des Weltklimarates zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren um 80 bis 90 Prozent runter. Das geht nur, wenn alle mitmachen.“

Ilsfeld Fragt man Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) nach einer vorbildlichen Kommune, fällt ihm spontan die 9200-Gemeinde Ilsfeld bei Heilbronn ein: Kürzlich hat er dort ein Nahwärmenetz eingeweiht, das die Restwärme aus dem Abwasser der Kläranlage nutzt, mit Hilfe eines Blockheizkraftwerks auf 75 Grad aufwärmt und als Wärmeenergie an 200 private Haushalte abgibt. „Da wird Klimaschutz erlebbar“, sagt Untersteller. Schon vor fünf Jahren stellten die Ilsfelder Klimaziele auf, bauten Solaranlagen auf Schulen und Hallen und ließen Vereine oder Bürger sich an den Photovoltaik-Anlagen beteiligen. Bei Neubauten wird darauf geachtet, dass die Vorschriften zum Wärme- und Energiebedarf „übererfüllt“ werden. Schon 2016 erhielt Ilsfeld den „European Energy Award“, eine Auszeichnung für klimafreundliche Kommunen. Bürgermeister Thomas Knödler will nicht vom „Ilsfelder Weg“ sprechen, lieber von einer „Kopie des dänischen Weges“.