Andreas Siegele erklärt den Teilnehmern auf der Streuobstwiese am Rohrer Weg, wo sie an den Apfelbäumen Schere und Säge ansetzen sollen. Foto: Sigerist, Hintermayr

Vergangenes Jahr war es ungewöhnlich heiß und trocken. Das machte auch den Pflanzen zu schaffen. Obstbauberater Andreas Siegele zeigt auf der Streuobstwiese am Rohrer Weg, wie den Bäumen geholfen werden kann.

Möhringen - Die Trockenheit sei auf der Filder-ebene nicht ganz so gravierend gewesen – dank der guten, lehmigen Böden, die Feuchtigkeit besser halten könnten als sandigere, leichtere Böden, sagt Andreas Siegele, der Obstbauberater der Stadt Stuttgart. Dennoch: Vor allem junge Bäume hätten wegen ihrer geringen Wurzelmasse unter dem trockenen Sommer gelitten. „Alte Bäume hatten durch ihr größeres Wurzelwerk im vergangenen Sommer die besseren Karten“, sagt Siegele. Sie könnten sich die Feuchtigkeit tief aus dem Boden ziehen.

Der Regen jetzt im Winter, sagt er, habe die Wasserspeicher im Boden bei Weitem nicht aufgefüllt, das Wasser sei vorwiegend in den oberen Bodenschichten. „Die Pflanzen reagieren darauf mit verstärkter Wurzelneubildung im oberen Bereich“, sagt der Fachmann. Wasser im Boden sei das eine, dieses dann bis zu den Blättern zu bringen das andere. „Wenn die Rinde mit den Leitungsbahnen beschädigt ist, funktioniert der Transport nicht richtig, und es kommt zu Schäden durch zu wenig Verdunstung.“

Welche Folgen hat die Hitze?

Verheerender als die Trockenheit sei aber die Hitze und die intensive Sonneneinstrahlung gewesen, sagt Siegele. „Denn irgendwann schaffte es im vergangenen Sommer die Wasserverdunstung der Blätter nicht mehr, diese ausreichend zu kühlen“, erläutert der Obstbauberater. Die Folge: Sonnenbrand an Blättern und Früchten. Der Blattverlust schwäche die Bäume abermals. „Die Auswirkungen wird man erst im Laufe des Frühjahrs beim Austrieb beziehungsweise der Blüte sehen.“ Zudem wiesen einige Bäume Sonnenbrandschäden an der Rinde auf, besonder an exponierten Stellen auf der Astoberseite. Das könne in der Folge zu Pilzbefall führen.

Abgebrochene Äste seien nur bedingt auf den rekordverdächtig heißen, trockenen Sommer zurückzuführen, erklärt Siegele. Das sei eher die Folge der zahlreichen Früchte an den Ästen gewesen; die Last wurde für manchen Ast zu schwer. „Hätte es etwas mehr geregnet, dann wären die Früchte größer geworden und es hätte durch das höhere Fruchtgewicht noch mehr Astbruch gegeben.“

Wie wird die Apfelernte dieses Jahr?

2017 war ein mageres Jahr gewesen, 2018 dagegen sahen sich Stücklesbesitzer mit einer regelrechten Apfelschwemme konfrontiert. Was die Obstbauern 2019 erwarten können, könne man noch nicht schätzen, sagt Andreas Siegele. Das werde sich erst in der Blüte zeigen.

Bei Obstbäumen gebe es die sogenannte Alternanz, den Wechsel von einem Ausfall- und einem Vollertragsjahr. Demnach müsste es dieses Jahr wieder weniger Äpfel geben. Diese Alternanz setze sich über Jahre hinweg fort und lasse sich nur schwer regulieren, sagt Siegele. Es sei eben der eigentliche Sinn des Baumschnitts im Winter, für einen regelmäßigeren Ertrag zu sorgen und den Schnitt dem Baumknospenansatz anzupassen. „Also 2019 etwas weniger schneiden, da kaum Ertrag zu erwarten ist, und dafür 2020 wieder mehr tun“, empfiehlt der Experte.

Was kann der Obstbaumbesitzer tun?

In diesem Jahr sei es in erster Linie wichtig, abgestorbene und abgebrochene Äste zu entnehmen. „An einem Baum, den ich gesund und vital halten will, hat Totholz nichts verloren“, sagt Siegele. „An ‚ökologisch wertvollem Totholz’ herrscht in den Streuobstwiesen sicherlich kein Mangel, da stehen genügend abgestorbene Bäume rum.“ Auch eine angepasste Düngung trage zur Vitalität der Bäume bei.

Das gelte nicht nur für die Streuobstwiesen, sagt Siegele, sondern auch für die Obstbäume im heimischen Garten. Der Winterschnitt fördere den Neutrieb schwach wachsender Bäume, sagt Andreas Siegele. Allerdings sei es nicht sinnvoll, die nach oben wachsenden, mehrere Jahre alten Wasserschosse abzuschneiden. „Das sind die jungen Triebe des Baums, die eigentlich den schönsten Ertrag bringen. Wichtiger ist es, das alte, abgetragene und hängende Fruchtholz, das nur noch schlechte Fruchtqualität bringt, zu beseitigen.“ Das Abschneiden der Wasserschosse führe nur dazu, dass neue produziert werden. Wo geschnitten wird, treibt der Baum wieder aus und bildet neue Triebe und Blätter.

Wo sollte man wie viel abschneiden?

Das Entfernen abgestorbener Äste sei wichtig, denn dies sei eine ideale Brutstätte für Pilze und Käfer, die dann auch auf das gesunde Holz übergehen und den Baum schädigen können. Auch abgebrochene und beschädigte Äste sollten entnommen werden. Danach könne das unterhalb der Waagrechte hängende Holz entfernt werden. „Grundsätzlich sollten immer glatte Schnitte direkt am Astansatz durchgeführt werden und keine Stummel stehen bleiben“, sagt Siegele. Größere Wunden sollten verschlossen werden, um Pilzinfektionen vorzubeugen.