Regina Hirsch und Celina Herr beim Verbandswechsel. Foto: factum/Andreas Weise

Die Kleintierklinik in Ludwigsburg-Oßweil zählt zu den wenigen ihrer Art in Baden-Württemberg. Das Praxisteam ist häufig überlastet. Dazu tragen Tiere bei, die keine Notfälle sind - und eine Hotline, die niemand zu kennen scheint.

Ludwigsburg - Regina Hirsch und Celina Herr knien auf dem Boden und wechseln einen Verband. Herr hält den Patienten fest, streichelt ihn und spricht ihm gut zu, während Hirsch in Windeseile eine Schiene zurechtschneidet, anlegt und mit einem Verband fixiert. Als alles sitzt, hetzt Hirsch sofort weiter, sie hat wenig Zeit. Es ist noch ein Notfall reingekommen, der sofort operiert werden muss, sagt Herr.

Der Patient, den Hirsch und Herr verarztet haben, ist ein Hund. Die übrigen, von denen die Frauen sprechen, sind ebenfalls Hunde, Katzen – und an diesem Samstagvormittag auch ein Papagei. Hirsch ist Assistenztierärztin an der Kleintierklinik in Ludwigsburg-Oßweil, Herr macht dort ihre Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten (TFA).

Viele Patienten sind keine Notfälle

Insgesamt 36 Patienten werden sie und die anderen Klinikmitarbeiter am Ende des Tages behandelt haben – ein vergleichsweise ruhiger Tag, wie der Klinikleiter Marc Goldhammer sagt: „Manchmal haben wir 60 Patienten an einem Wochenendtag, im Schnitt behandeln wir sogar 100 Patienten täglich.“ An solchen Tagen stößt die Kleintierklinik an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Kein Wunder: Kleintierkliniken sind offenbar eine Rarität. Goldhammer zufolge gibt es insgesamt nur noch vier in ganz Baden-Württemberg. „Ich habe das Gefühl, dass heutzutage aus jeder Mücke ein Elefant gemacht wird“, sagt der Klinikleiter. „Das zieht sich durch alle Bereiche in unserer Gesellschaft.“ Was die Tierkliniken betreffe, seien die Anlässe, die Besitzer für Notfälle hielten, in Wirklichkeit häufig gar keine. „Manche bringen ihr Haustier zu uns, weil es eine Zecke hat“, bestätigt Lena Kupferschmid, die als Tiermedizinische Fachangestellte auf der Klinikstation arbeitet. Dazu kommen Tierbesitzer, die unter der Woche keine Zeit haben und den Tierarztbesuch deshalb aufs Wochenende verschieben, erzählt Goldhammer.

Hotline ist nur wenigen bekannt

Was viele offenbar nicht wissen, ist, dass es eine kreisweit gültige Notrufnummer für Kleintiere gibt, die 0 71 41/29 01 01. Wer die Hotline wählt, erfährt, welcher niedergelassene Tierarzt im Kreis Ludwigsburg Notdienst hat und kann dann diese Praxis auch mitten in der Nacht oder am Wochenende aufsuchen.

Die Tierärzte wechseln sich wöchentlich ab, die Nummer kann man rund um die Uhr wählen. „Leider wird dieses Angebot viel zu selten genutzt“, sagt Anne Posthoff, die eine Kleintierpraxis in Besigheim betreibt und Kreisobfrau des Bundesverbands Praktizierender Tierärzte ist. „Das führt dazu, dass die Kleintierklinik in Oßweil häufig überlastet ist, während die notdiensthabenden Tierärzte kaum aufgesucht werden.“

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Von den fünf Personen, die im Wartezimmer der Ludwigsburger Kleintierklinik sitzen, kennt denn auch nur eine die Hotline der niedergelassenen Tierärzte. „Ich habe extra gegoogelt, aber nichts gefunden“, sagt Viktor Baranowski.

Auf einer anderen Bank im Wartezimmer sitzt Petra Hoffmann. Sie ist die Besitzerin von Kater Max, den sie mit einem gerissenen Zwerchfell in die Klinik gebracht hat. „Er ist vermutlich von einem Baum gefallen“, sagt sie. Als sie die Rechnung für die Behandlung des Katers begleicht, kann sie einen kleinen Seufzer nicht unterdrücken. „So kann man ’s Geld loswerden“, sagt sie.

Gebühren steigen – um Kliniken zu entlasten

Um Tierhalter von unnötigen Klinikgängen abzuhalten, sind die vorgeschriebenen Behandlungsgebühren Ende des vergangenen Jahres erhöht worden. Die Mehrwehrsteuer eingeschlossen müssen Tierbesitzer durch diese Änderung fortan fast 60 Euro Notdienstgebühr bezahlen – unabhängig davon, wie aufwendig die Behandlung des Tieres ist. In die Notdienstzeit fallen Leistungen zwischen 18 und 8 Uhr und am Wochenende. Darüber hinaus dürfen Tierkliniken in diesen Zeiten statt drei- nun bis zu viermal höhere Gebühren als sonst erheben, wodurch auch die Behandlungen teurer werden.

Kater Max kümmert all das wenig. Er will offensichtlich einfach nur in sein gewohntes Umfeld zurück. Er faucht, als das Praxisteam seinen Infusionszugang entfernt. Dann darf er zurück zu Petra Hoffmann. Sofort beginnt er zu schnurren – und sein Frauchen strahlt.

Die Notruf-Hotline für Kleintiere im Kreis Ludwigsburg: 071 41/29 01 01