In der Gerlinger Kleiderkammer geht es eng zu. Foto: factum/Bach

Die Kleiderkammern der katholischen Kirche und des Roten Kreuzes versorgen bedürftige Menschen preisgünstig mit Sachen zum Anziehen. In diesen Wochen treffen die Spenden sackweise ein – aber nicht nur Herbst- und Winterware.

Ditzingen/Gerlingen - Sigrid Achi erinnert sich genau: „Der Schrank im Kinderzimmer war leer.“ Es war die Begegnung mit der Mutter eines Schülers, die den Anstoß gab. Der Bub habe kein Turnzeug gehabt, sei häufig mit denselben Kleidern zum Unterricht gekommen, auch zum Turnen. Da hat die damalige Rektorin der Ditzinger Wilhelmschule die Familie besucht – und die Mutter ihr das Leid geklagt: Das Geld war knapp, obwohl der Vater arbeiten ging. „Das hat mich schockiert“, erzählt Sigrid Achi 20 Jahre danach. Dieses Erlebnis gab 1997 den Anstoß zur Gründung der Ditzinger Kleiderkammer als Einrichtung der katholischen Kirchengemeinde. Ein Jahr zuvor hatte die Kleiderkammer in Gerlingen geöffnet – unter der Trägerschaft des Roten Kreuzes und mit Unterstützung der Stadt.

Beide Einrichtungen existieren bis heute, und sie werden mehr denn je gebraucht. Nicht nur wenn wieder einmal mitten in der Nacht in Gerlingen die Türen geöffnet werden, damit Opfer eines Wohnungsbrandes etwas zum Anziehen bekommen. Die Kundenzahlen steigen, die Einkäufer ähneln sich: Rentner, Alleinerziehende, Hartz-IV-Empfänger, Arbeits- und Obdachlose, Flüchtlinge. Das Rote Kreuz hat sieben geringfügig Beschäftigte, die mit den Erlösen bezahlt werden. Die Ditzinger Einrichtung wird mit zwei Dutzend Ehrenamtlichen betrieben, nur eine Putzfrau wird bezahlt. Mit dem Erlös unterstützt man auch die Arbeit der Caritas. Die Basis beider Kleiderkammern sind Spenden von Bürgern, die sich von ausrangierten Textilien trennen – tüten- und sackweise.

Sackweise Ware bis unter die Decke

Anne Wesonik und Andrea Schulz haben an diesem Dienstagvormittag in Gerlingen Dienst. Graue, grüne, weiße und blaue Säcke stapeln sich in einem Zimmer bis unter die Decke. Nebenan wird ausgepackt. Ein paar Hemden, drei, vier Hosen, Kindersachen, zwei Röcke. Im nächsten Sack ein Wintermantel. Vieles brauchen die Frauen nur glatt zu streichen und in die Regale zu räumen. „Manchmal aber machen wir den Sack gleich wieder zu“, erzählt Anne Wesonik. Untragbar – im wahrsten Sinn des Wortes, ab zur Textilverwertung. Etwa die Hälfte muss aussortiert werden. Zeit fürs Waschen und Knopfannähen ist nicht drin. Bei den persönlich abgegebenen Spenden sei der verwertbare Anteil wesentlich höher. Laut Sigrid Achi geht in Ditzingen auch etwa die Hälfte der Spenden nicht in den Verkauf, sondern zur Kleidersammelstelle der Organisation „Licht im Osten“. Dafür eigneten sich auch Kleidungsstücke, die nicht topmodern sind. In den „Lumpensack“ wandere fünf Prozent.

Beide Organisationen bitten darum, jetzt nicht die ausrangierten Sommersachen zu bringen, sondern die Winterkollektion auf Überschüssiges durchzusehen. Nun werden warme Jacken und Pullover gebraucht, keine kurzen Hosen. „In diesen Wochen steigt die Nachfrage“, sagt Sigrid Achi. Auch in Gerlingen kommen in der Übergangszeit mehr Leute als im Sommer. Dann sind es pro Öffnungszeit 30 bis 40 Kunden, es wird richtig voll in den vier Zimmern des alten Hauses. „Wir wollen den Einzelhändlern keine Konkurrenz machen“, sagt Thilo Lang, der Vorsitzende des Gerlinger Roten Kreuzes. Viele Kunden könnten sich aber auch Billigklamotten nicht leisten. Das Einzugsgebiet reiche von Feuerbach bis Leonberg und Hemmingen.

„Räume gut ausgenutzt“

Dass die Kleiderkammer zu klein ist, war in den Gremien schön öfters Thema. Thilo Lang will dazu nichts sagen. Auch wenn es in der Urbanstraße eng zugehe, seien „die Räume zwar gut ausgenutzt, erfüllen aber ihren Zweck vollumfänglich“, sagt der Amtsleiter Stefan Fritzsche. Die Stadt sei „froh und dankbar“, dass der DRK-Ortsverein „diese beispielhafte Einrichtung mit Förderung der Stadt so erfolgreich“ führe. Weil das Haus im Sanierungsgebiet liege, mache sich die Verwaltung Gedanken über den weiteren Standort. Zu gegebener Zeit werde man diskutieren.

Auch die Ditzinger Einrichtung ist nicht auf ewig in der Gerlinger Straße untergebracht. „Das Gebäude wird irgendwann einmal abgerissen“, sagt Sigrid Achi, „irgendwann muss die Kleiderkammer hier raus.“ Dies sei aber noch „in weiter Ferne“.

Die Öffnungszeiten

G
erlingen:

Die Kleiderkammer des Roten Kreuzes ist in Gerlingen in der Urbanstraße 3. Für Kunden ist geöffnet montags und mittwochs von 9 Uhr bis 12 Uhr sowie dienstags von 15 Uhr bis 18 Uhr. Spenden können abgegeben werden dienstags von 9 bis 11 Uhr und donnerstags von 9 bis 11 Uhr und von 16.30 bis 18.30 Uhr.

Ditzingen:


Die Kleiderkammer der Kirchengemeinde Sankt Maria in Ditzingen, Gerlinger Straße 35, ist montags geöffnet: Für Kunden von 15 bis 17 Uhr, für die Abgabe von Spenden von 13.30 bis 17.15 Uhr. Während der Schulferien ist geschlossen.