„Alles wird infrage gestellt“ – Siegfried Mahler beim Gespräch in seinem Büro mit den „Stuttgarter Nachrichten“, im Hintergrund sein Stellvertreter Hansjörg Götz Foto: Lichtgut

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wird immer größer, hat aber auch immer mehr Fälle zu bewältigen. Woran das liegt, erklärt der Chef der Behörde, Siegfried Mahler, im Interview.

Stuttgart - Der Leiter der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Siegfried Mahler, beklagt einen Trend zur Strafanzeige: „Immer mehr zivile Streitigkeiten werden an die Staatsanwaltschaft herangetragen“, sagte er im Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“. Als Beispiele nannte er Nachbarschaftskonflikte oder Ärger mit Behörden. „Wir haben eine Vielzahl an Verfahren, die eigentlich gar nichts bei uns verloren haben“, so Mahler. Wenn die Staatsanwaltschaft dann die Verfahren einstelle und auf den Privatklageweg verweise, sei das Geschrei oft groß. Die Klärung solcher Fälle sei aber nun mal nicht im öffentlichen Interesse, erklärte Mahler: „Das alles kostet ja auch Steuergeld.“

Personelle Aufrüstung

Mahler (67) geht Ende September nach 13 Jahren als Leiter der Stuttgarter Staatsanwaltschaft in Pension. Als er im Jahr 2006 anfing, bearbeiteten seine Kollegen jährlich rund 96 000 Ermittlungsverfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte. Im Jahr 2018 seien es 110 000 gewesen, „dieses Jahr werden es nach der Prognose voraussichtlich rund 114 000 Verfahren sein“, so Mahler. Nehme man die Verfahren gegen Unbekannt sowie Ordnungswidrigkeiten hinzu, seien es pro Jahr inzwischen über 200  000 Fälle. Entsprechend wurde personell aufgerüstet: Als Mahler in Stuttgart anfing, arbeiteten unter ihm 123 Staatsanwälte, jetzt sind es 180.

Meist Eigentumsdelikte

Dass Staatsanwälte immer mehr zu tun haben, ist ein bundesweites Phänomen: Laut Statistischem Bundesamt haben die Staatsanwaltschaften in Deutschland vergangenes Jahr 4,9 Millionen Ermittlungsverfahren abgeschlossen – rund 81 000 mehr als im Jahr davor. Meist ging es um Eigentumsdelikte (32 Prozent), gefolgt von Straßenverkehrsdelikten (18 Prozent).

Mahler beklagt zudem, dass Entscheidungen der Justiz nicht mehr akzeptiert werden, auch wenn sie in letzter Instanz ergangen sind: „Alles wird infrage gestellt.“