Georg Appel und Michael Mattig-Gerlach vertreten die Eltern von Gymnasiasten im Regierungsbezirk Stuttgart. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Stuttgarter Eltern kämpfen für eine vernünftige Unterrichtsversorgung und fühlen sich ignoriert. Jetzt ziehen sie gegen das Kultusministerium vor Gericht – und das hat gleich mehrere Gründe.

Stuttgart - Den Eltern im Land stinkt es. Das sagen die Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Elternvertreter (Arge), Michael Mattig-Gerlach und Georg Appel. Sie vertreten die Eltern und Schüler an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart. Das Thema, über das Mattig-Gerlach und sein Stellvertreter Appel in der Lehrerbibliothek eines Stuttgarter Gymnasiums sprechen wollen, ist heikel. Hochpolitisch. Und was die Eltern vorhaben, könnte einige Dinge ins Rollen bringen: Die Eltern wollen vor Gericht ziehen – gegen die Kultusministerin.

Eltern und Schüler an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart klagen schon länger, dass zu viel Unterricht ausfalle. Und dass sie darüber zwar mit der Ministerin Susanne Eisenmann gerne reden würden, die aber mehrere Einladungen nicht angenommen habe. Auf einen offenen Brief von Mitte Juli, den auch die Elternvertreter aus den Regierungsbezirken Tübingen und Freiburg unterzeichneten, habe man nie eine Antwort erhalten. „Jetzt wollen wir eben erzwingen, was eigentlich selbstverständlich ist“, sagt Mattig-Gerlach. Er meint eine vernünftige Unterrichtsversorgung an den Gymnasien.

Dass er mit der angekündigten Klage, deren Details er am Freitag enthüllen will, möglicherweise ein großes mediales Echo erzeugt, ist Mattig-Gerlach nicht nur bewusst – er hofft darauf. „Frau Eisenmann muss so herausgefordert werden, damit sie endlich reagiert“, sagt der Elternvertreter. Es sei nicht hinnehmbar, dass jede achte Stunde an Gymnasien nicht wie geplant stattfindet. Diese Zahl haben unabhängig voneinander sowohl die Arge als auch das Ministerium selbst ermittelt.

Mit Eisenmann in Clinch – auch früher schon

Es gibt weitere Gründe, warum die Elternvertreter die Konfrontation suchen. Ihre Erhebung zum Unterrichtsausfall vom Frühjahr ist einer davon. Das Kultusministerium hatte vor einer Vollerhebung im Juni keine eigenen, belastbaren Zahlen für die Stuttgarter Gymnasien – die bis dato jährlich durchgeführte Stichprobe war zu klein. Deshalb wurde die Arge Anfang des Jahres selbst aktiv. Zwar haben Eltern einen Anspruch darauf zu erfahren, wie die Unterrichtsversorgung an der Schule ihrer Kinder ist. Mit der Erhebung beginnen konnte die Arge aber erst nach einem monatelangen Tauziehen mit dem Regierungspräsidium, der für Gymnasien zuständigen Aufsichtsbehörde. Die Eltern fühlten sich gegängelt, von einem Maulkorb war die Rede. Als sie die Ergebnisse im Sommer vorstellten, verbunden mit Forderungen etwa nach zusätzlichen Lehrerstellen, erteilte die Kultusministerin den Vorschlägen prompt eine Absage – per Pressemitteilung.

Mit Eisenmann verbindet den einstigen Lehrer Mattig-Gerlach eine weitere Geschichte. Als Elternsprecher am Paracelsus-Gymnasium sorgte er dafür, dass der Plan der damaligen Stuttgarter Schulbürgermeisterin verhindert wurde, in die Lichthöfe der Schule eine Mensa einzubauen.

„Uns ist klar, dass Eltern oft als Störenfriede im Schulbetrieb wahrgenommen werden“, sagen Mattig-Gerlach, 69, und Appel, 60. Doch beim Thema Unterrichtsausfall sehen sie sich im Recht. Dass die beiden nun eine andere, härtere Gangart einlegen, hat auch damit zu tun, dass sie Rentner sind und Zeit haben, die Anliegen der Eltern voranzutreiben. Zwar verlässt jeder Schüler irgendwann die Schule, weshalb die Amtszeit von Elternvertretern begrenzt ist. Aber die Kinder von Mattig-Gerlach und Appel sind erst in der zehnten beziehungsweise neunten Klasse. Da bleibt reichlich Zeit, um die Kultusministerin zum Handeln zu zwingen.