Überraschung bei der Nestkontrolle: Ein frisch geschlüpftes Küken Foto: Horst Rudel, Nabu

Drei Monate nur, von Anfang Mai bis etwa Ende Juli, bleiben die Mauersegler mit den großen, sichelförmigen Flügeln in hiesigen Breiten. In Kirchheim hat sich eine Gruppe von Vogelfreunden auf die Spuren der Flugakrobaten geheftet.

Kirchheim - Der Winzling ist noch nackt und hat geschlossene Augen. Er bettelt einen Altvogel an, doch der drückt sich ängstlich an die Außenseite der künstlichen Nisthöhle hoch oben im Kirchheimer Spitalgebäude. Dort oben hat sich ein kleiner Kreis von Interessenten zu einer Führung mit dem Ornithologen Wulf Gatter eingefunden, um mehr über das Leben von Mauerseglern zu erfahren; mit von der Partie ist auch Bernd Augustin, der für den Naturschutzbund (NABU) die Brutplätze in öffentlichen Gebäuden betreut. Und schon die Frage nach dem Schicksal des ganz offensichtlich verspäteten Nestlings führt in eine Welt, die von grandiosen Leistungen, aber auch meist witterungsbedingten katastrophalen Rückschlägen der Gefiederten geprägt ist.

Drei Monate, von Anfang Mai bis etwa Ende Juli, bleiben die Vögel mit den großen, sichelförmigen Flügeln auch in unseren Breiten, ihr rasanter Flug um die Häusergiebel und ihre schrillen „Sri, sri“-Rufe gehören hierzulande zur Sommermelodie. Das Leben der Mauersegler in ihrem luftigen Element ist umfassend, dort finden sie ihre Insektennahrung und das Material für ihre kargen Nester, dort paaren sie sich im Flug und dort finden sie auch gleitend in den Schlaf. Und ist es an der Zeit, dann finden die Flugkünstler auch ihren Reiseweg bis ins südliche Afrika.

Kontinente übergreifendes Wissen

Wulf Gatter hat bereits in jungen Jahren die Vogelwelt im Albvorland und am Trauf dokumentiert, als gelernter Forstmann leitete er später das ökologische Lehrrevier der Landesforstverwaltung, gründete die Vogelzugstation Randecker Maar. Sein Engagement für ein Regenwaldprojekt in Liberia und beim Aufbau der University of Liberia in Monrovia machte ihn selbst samt Familie zum „Zugvogel“. Gatters Ansatz, mit Blick auf die Regenwälder in dem afrikanischen Land die Forstwirtschaft und den Naturschutz unter einen gedeihlichen Hut zu bringen und dabei gleichzeitig auch noch die Vogelwelt zu erforschen, brachten ihm vor etlichen Jahren die Ehrendoktorwürde der Universität von Monrovia ein; der zweite Doktorhut ehrenhalber stammt von der Uni Münster für Gatters grundlegendes Werk „Vögel und Forstwirtschaft“, einer Dokumentation des Waldvogelvorkommens im deutschen Südwesten.

Ein solch Kontinente übergreifendes Wissen prädestiniert den Ornithologen Gatter, der in den NABU-Ortsgruppen Kirchheim und Lenninger Tal sowie Weilheim als Berater und Öffentlichkeitsreferent fungiert, auch Licht in das rasante Dasein der Mauersegler zu bringen. Als Erstes gilt es dabei meist, den Irrtum auszuräumen, es handle sich um eine Schwalbenart, tatsächlich sind die verwandtschaftlichen Bande zu den Kolibris viel enger, weiß die Wissenschaft.

Gleich im ersten Jahr bis zum Mond

Zusammen mit seiner Frau Thea hat sich Wulf Gatter mal an das Rechenkunststück gemacht, die Flugleistung eines Jungvogels im ersten Jahr zu überschlagen. Gatter: „Wir kamen dabei auf rund 365 000 Kilometer, was dem Abstand zwischen Erde und Mond entspricht.“

Zum Abschluss der Vogelführung pilgerte der kleine Trupp von Zweibeinern noch übers Herdfeldbrückle zum Alten Friedhof. Was die Vogelwelt angeht, so wird zwar lautstark auf eine wachsende Reiherkolonie hingewiesen, doch die Bodenbrüter hätten kräftig an Boden verloren, weil laut Gatter einfach zu viele Katzen das Terrain durchstreifen würden.

Neben der Tierwelt und eindrucksvollen, teils fremdländischen Bäumen stießen verschiedene Grabmale auf heimatgeschichtliches Interesse. So verwies der frühere Dettinger Konrektor Günther Erb auf ein voluminöses Grabsteinmonument mit Namen deutscher Soldaten, die während des Siebz’ger Kriegs 1870/71 in Kirchheimer Lazaretten verstarben. Ein mächtiger Efeubusch, der sich den Obelisken über dem Grabmal gekrallt hat, lässt freilich heute das Leben triumphieren – als Unterschlupf für vielerlei Gefiederte.