In Kirchheim muss künftig ein Drittel des neu geschaffenen Wohnraums für Familien mit „normalem Geldbeutel“ reserviert werden. Foto: dpa

Der Kirchheimer Gemeinderat hat eine Sozialbauverpflichtung auf den Weg gebracht. Vom neuen Jahr an müssen Investoren und Bauträger ein Drittel ihres neu geschaffenen Wohnungsbestands zu günstigen Mieten auf den Markt bringen.

Kirchheim - Die Stadt Kirchheim ebnet „Menschen mit ganz normalem Geldbeutel“ den Zugang zum Wohnungsmarkt. Mit diesen Worten hat die Oberbürgermeisterin der Teckstadt, Angelika Matt-Heidecker, die vom Gemeinderat mehrheitlich beschlossene Sozialbauverpflichtung kommentiert. Künftig werden 30 Prozent der in Kirchheim neu geschaffenen Wohnraumflächen dem sozialen Wohnungsbau zugeführt. Grundstückseigentümer und Investoren müssen diese Flächen den Mietern zu günstigen Konditionen anbieten. Grundlage ist der Mietspiegel der Stadt Esslingen mit einem Abschlag von zehn Prozent. Die Verpflichtung greift, wenn eine Bagatellgrenze von 250 Quadratmeter Wohngeschossfläche übertroffen wird und sie gilt nicht für Nachverdichtungen im Bestand.

„Mit diesem Instrument fördern wir Gruppen, die keinen Zugang zum Markt finden“, sagte der Kirchheimer Bürgermeister Günter Riemer. Die Zielgruppe seien Wohnungssuchende, die Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein des Landes haben. Die Kirchheimer Sozialbauverpflichtung tritt zum 1. Januar in Kraft und kommt auch in den Fällen zur Anwendung, in denen schon ein Bebauungsplanverfahren auf den Weg gebracht ist.

Einer in der jüngsten Gemeinderatssitzung präsentierten Zusammenstellung zufolge würden auf dieser Basis rund 200 Wohnungen der in den kommenden Jahren neu entstehenden 680 Wohneinheiten der neuen Sozialbindung unterliegen. „Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können“, sagte Riemer. Seinen Worten zufolge sind auch die von der Stadt im Vorfeld des Beschlusses ins Boot geholten Investoren und Bauträger bereit, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Dabei hat die Stadt Riemers Worten zufolge viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. „Es hat uns einerseits überrascht, wie negativ besetzt der Begriff Sozialer Wohnungsbau bei Investoren ist, und auf der anderen Seite erschreckt, wie wenig Kenntnisse über die Fördermöglichkeiten vorhanden sind“, so Riemer. Dem Landeswohnraumförderungsgesetz Baden-Württembergs zufolge hat eine Familie, deren Bruttoeinkommen 65 500 Euro im Jahr nicht übersteigt, einen Anspruch auf eine öffentlich geförderte Mietwohnung.

„Das ist ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk“, urteilte Marc Eisenmann, der Sprecher der SPD im Gemeinderat. Der Markt alleine sei nicht in der Lage, den Wohnungsbedarf zu regeln. Das neue Instrument enthebe die Stadt allerdings nicht der Verpflichtung, selbst zu bauen und dämpfend auf den Mietspiegel zu wirken. „Der Druck ist groß und er wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen“, prophezeite der SPD-Sprecher. Seitens der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lobte Jürgen Berghold die Entscheidung. „Wer in der Stadt Wohnraum von mehr als 250 Quadratmetern schafft, muss künftig an Sozialwohnraum denken“, sagte er.

Lediglich Thilo Rose (CDU) goss ein paar Wermutstropfen in den Freudenbecher. „Wir werden das Kernproblem nicht lösen, wenn wir nicht insgesamt mehr Wohnbaufläche in der Stadt zur Verfügung stellen“, sagte der CDU-Fraktionschef. Weil die Ausweisung neuer Wohnbauflächen aber mit den Grünen kaum zu bewerkstelligen sei, trage die Partei eine Mitverantwortung für die Engpässe auf dem Kirchheimer Wohnungsmarkt. „Sie bejubeln die Lösung eines Problems, das sie selbst geschaffen haben“, warf der Christdemokrat den Grünen im Gemeinderat vor.

Den Worten der Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker zufolge wird das von einer Arbeitsgruppe des Gemeinderats gemeinsam mit der Verwaltung erarbeitete Papier auch an andere Kommunen gehen.