„Vonseiten der katholischen Kirche bitte ich Euch um Vergebung für unchristliche, ja sogar unmenschliche Verhaltensweisen.“ Foto: dpa

Vor 800 Jahren hat die Kirche die Reformbewegung der Waldenser fast vollständig vernichtet. Jetzt hat sich erstmals ein Papst bei ihren Nachfahren entschuldigt.

Stuttgart - Die Liste derer, welche die Katholische Kirche in ihrer Geschichte mit Feuer und Schwert „bekehrt“ hat, ist lang. Wer sich nicht fügte, wurde kurzerhand ins Jenseits befördert. Dem tschechischen Reformator Jan Hus (1369-1415) erging es so. Als er während des Konzils von Konstanz seine Lehre nicht widerrufen wollte, wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Dasselbe widerfuhr dem italienischen Philosophen Giordano Bruno (1548-1600), der durch die Inquisition der Ketzerei und Magie für schuldig befunden wurde und ebenfalls den Feuertod erleiden musste.

Entschuldigung! Besser spät als nie

Begangenes Unrecht lässt sich nicht wiedergutmachen. Die Täter von damals kann man nicht mehr belangen, ihre Opfer nicht mehr retten. Das Mindeste, was man in solchen Fällen tun muss, ist sich zu entschuldigen. Besser spät als nie.

Papst Johannes Paul II. hat das im Fall von Giordano Bruno getan, als er 400 Jahre nach dem Mord am 12. März 2000 erklärte, die Hinrichtung sei auch aus kirchlicher Sicht als großes Unrecht zu betrachten. Wie schon sein polnischer Vorgänger hat jetzt auch Papst Franziskus den Kirchenreformer Jan Hus gewürdigt und sein „tiefes Bedauern über den grausamen Tod von Jan Hus“ ausgedrückt.

Jan Hus und Giordano Bruno, Waldenser und Katharer

Was für Jan Hus und Giordano Bruno gilt, gilt umso mehr für die Waldenser. Im 13. Jahrhundert hatte die Kirche alles aufgeboten, um diese christliche Reformbewegung zu vernichten. Kreuzzüge zu ihrer Auslöschung wurden ausgerufen, Tausende Bewaffnete ins Feld geschickt, Zehntausende unschuldige Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet. Dass es damals nur darum ging, die kirchlichen Pfründe und Machtansprüche mit allen Mitteln zu verteidigen, hat über Jahrhunderte niemanden in der Kirche gestört.

Jetzt, nach fast 800 Jahren, hat sich erstmals ein Kirchenoberhaupt für dieses Menschheitsverbrechen entschuldigt. Während seines Besuches in Turin am 22. Juni hat Franziskus als erster Papst überhaupt eine Waldenser-Gemeinde besucht und „Sorry“ gesagt für die Mordbefehle und Mordbrennerei, die Unbarmherzigkeit und Grausamkeiten. „Vonseiten der katholischen Kirche bitte ich Euch um Vergebung für unchristliche, ja sogar unmenschliche Verhaltensweisen, die wir Euch gegenüber in der Vergangenheit an den Tag gelegt haben.“

Die Katharer sind ausgelöscht

Die Waldenser haben trotz Inquisition, Unterdrückung und Verfolgung überlebt. Mit rund 45 000 Mitgliedern sind sie heute die größte protestantische Glaubensgemeinschaft Italiens. Auch in Deutschland gibt es einige Gemeinden. Die Katharer, eine andere christliche Reformbewegung (auch Albigenser genannt), hatte weniger Glück. Vom 12. Jahrhundert bis zum 14. Jahrhundert lebten und missionierten sie vorwiegend im Süden Frankreichs. Der sogenannte Albigenserkreuzzug (1209–1229) brachte an den Rand des Untergangs. Am 16. März 1244 kapitulierten die letzten Katharer vor den Truppen des französischen Königs, 200 von ihnen wurden in ihrer Bergfestung Montségur verbrannt.

Der letzte Albigenserbischof Belibaste starb 1321 auf dem Scheiterhaufen, der letzte bekannte Katharer wurde 1342 in Florenz verhaftet. Die kirchliche Inquisition hatte – in enger Zusammenarbeit mit staatlichen Organen – ganze Arbeit geleistet.

Bei den Nachkommen der Katharer wird sich kein Papst jemals entschuldigen können. Es gibt sie nicht!