Wie wird die religiöse Landkarte Deutschlands aussehen? Welche Bedeutung werden Glaube und Unglaube haben? Kehren die Götter zurück oder siechen die Religionen dahin? Um diese und andere Fragen geht es in unserer 15-teiligen Serie „Religion und Glaube 2050“.
Stuttgart - Der Bedeutungsrückgang der Kirchen als konstitutierter Glaubensinstanz geht einher mit einem Aufschwung individueller Religiosität. An die Stelle kollektiver Gewissheiten und unverrückbarer Wahrheiten tritt immer mehr die persönliche Glaubensentscheidung.
Religiöse Bastelmentalität
An irgendetwas glaubt schließlich jeder. Man muss kein frommer Katholik sein, um Papst Franziskus zu bewundern oder bei der Christmette gerührt zu sein. Als „Homo religiosus“ ist der Mensch ein Glaubender und nach Transzendenz Suchender. Ohne diese Suche nach dem Sinn und der Sehnsucht nach dem „Ganz-Anderen“ ließe sich das Leben, ließen sich die Lasten der Gegenwart und die Herausforderungen der Zukunft nur schwer bewältigen und ertragen.
Spiritueller Flickenteppich
Die Religiosität der Zukunft wird pluraler und individueller sein. Sie gleicht einem spirituellen Flickenteppich. Wie in einem Supermarkt wählt man sich aus den Sinnangeboten aus, was gefällt und cool ist: Buddha und Jesus, Dalai Lama und Papst, Bibel und Tibetisches Totenbuch. Angesichts der Vielzahl an religiösen Formen und Stilen tun sich die Kirchen schwer, ihre Frohe Botschaft einladend und verständlich zu formulieren. Was sie als Signale aussenden, kommt bei vielen Adressaten gar nicht mehr an.
Pseudo-religiöse Praktiken – spiritueller Synkretismus
Was an der Populär-Religiosität der Zukunft noch im herkömmlichen Sinne religiös ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Jedenfalls haben die im Alltag munter kombinierten pseudo-religiösen Praktiken und der spirituelle Synkretismus nicht mehr viel mit klassischen Religionsbegriff gemeinsam – im Sinne eines gemeinschaftlichen Bekenntnisses und personalen Transzendenzglaubens, eines verbindenden und verbindlichen Kultes und einer sozialen Identität.
Man kann es so ausdrücken: Die außerkirchliche Religiosität der Zukunft wird eine spirituelle Dauerbaustelle sein.
Engelglaube: Spiritueller Dauerbrenner
Engel werden 2050 in diesem Supermarkt des religiös Beliebigen genauso wie schon heute einen ganz besonderen Platz innehaben. Sie sorgen für kuschelige Wärme und Intimität, schaffen Vertrautheit und Nähe. Je größer die soziale Kälte und je frostiger die gesellschaftliche Großwetterlage ist, desto beliebter werden die himmlischen Boten.
Der Engelglaube ist Teil einer sich weiter differenzierenden und aufsplitternden der spirituellen Erlebnisgesellschaft. Immer neue, teils ziemlich schräge Trends werden auftauchen und wieder in der Versenkung verschwinden. Der Engelglaube wird ein spiritueller Dauerbrenner bleiben und viele über ihre Alltagssorgen hinwegtrösten.
Kanal „nach drüben“
Vor allem in Esoterik-Kreisen ist der Glaube an die Botschaft der Engel weitverbreitet. „Channeling“ heißt hierfür der Fachbegriff, der sich in den 1970er Jahren in der amerikanischen New-Age-Bewegung etablierte und von dort nach Deutschland schwappte. Gemeint ist damit der Empfang von Botschaften übernatürlicher Wesen durch ein Medium, sprich einen Menschen mit spirituellem Kanal „nach drüben“.
Unsere Serie: Religion und Glaube 2050
Teil 1: Trend 2050 – Religion, Glaube, Spiritualität
Teil 2: Trend 2050 – Globaler Glaube und Unglaube
Teil 3: Trend 2050 – Der Glaube der Ungläubigen
Teil 4: Trend 2050 – Säkularisierter Glaube
Teil 5: Trend 2050 – Individualisierter Glaube
Teil 6: Trends 2050 – Kirchlicher Glaube
Teil 7: Trend 2050 – Karitativ-diakonischer Glaube
Teil 8: Trend 2050 – Patchwork-Religiosität
Teil 9: Trend 2050 – Pseudo-religiöse Konsumtrends
Teil 10: Trend 2050 – Sanfter Glaube
Teil 11: Trend 2050 – Auf Sinnsuche bei Glaubenden
Teil 12: Trend 2050 – Fundamentalistischer Glaube
Teil 13: Trend 2050 – Fernöstliche Erleuchtung
Teil 14: Trend 2050 – Muslimische Parallelwelten
Abschluss: Religion und Glaube 2050 in 14 Thesen