Nicht nur niedlich – auch würdevoll. Ein wenige Tage altes Robben-Baby. Foto: dpa

Wir liebkosen und verhätscheln sie, als wären sie unseresgleichen. Wir mästen und fressen sie, als wären sie ein Ding. Unser Verhältnis zu Tieren ist befremdlich und paradox.

Stuttgart - „Wer in diesen Abgrund von Qual, welche die Menschen über die Tiere bringen, hineingeblickt hat, der sieht kein Licht mehr; es liegt wie ein Schatten über allem, und er kann sich nicht mehr unbefangen freuen“.

Dieser Satz stammt von Albert Schweitzer (1875-1965), dem großen Freund der Menschen und Tiere. In allen Lebewesen spürte der Arzt und Theologe die Würde,das Recht auf Leben, das unschätzbare Geschenk des Daseins.

Tiere – beste Freunde und lebende Fleischkonserven

Unser Verhältnis zu Tieren ist befremdlich und paradox. Sie gelten als die besten Freunde des Menschen, werden verhätschelt, liebkost und umsorgt. Andererseits landen sie in den Regalen der Supermärkte, nachdem sie qualvoll leben und elendig sterben mussten. Eingepfercht als Mastvieh in engen Ställen und Käfigen, in denen sie sich kaum bewegen, geschweige denn artgerecht verhalten können.

Tiere sind ganz arme Schweine

Schweine zum Beispiel: Die meisten kennen sie nur als Schnitzel und Grillkotelett auf dem Teller. Vielleicht haben sie mal Wildschweine im Zoo oder Tierpark gesehen. Aber eine emotionale Beziehung zu diesen extrem lernfähigen und intelligenten Geschöpfen aufzubauen und etwas für sie zu empfinden, das klingt für sie ziemlich absurd und schräg. Ein Schwein wird geboren, um gegessen zu werden. So einfach ist das.

Glücklich das Schwein, dass auf einer Weide lebt, wo es bis zu zwölf Jahre alt werden kann. Das normale Schweineleben ist trostlos: Zu Tausenden in riesigen Mastanlagen zusammengepfercht werden sie zu lebenden Fleischkonserven gemästet. Rund 28 Millionen Schweine werden in Deutschland gemästet, fast 59 Millionen geschlachtet. Aus dem quicklebendigen Tieren sind gestörte, träge Fettwänste geworden, in deren kurzem Leben es nur noch ums Fressen und Wachsen geht. Ihr Leben ist kurz und eine einzige Qual, ihr Sterben ist noch kürzer und nicht minder grausam.

Tiere empfinden Trauer und Freude, Glück und Leid

Tiere können denken, fühlen und empfinden. Sie verfügen über all das, was Intelligenz ausmacht: Emotionalität, Kognition (Erkenntnisvermögen), ein komplexes soziales Zusammenleben sowie echte Lernfähigkeit. Sie empfinden Freude und Trauer, sie nehmen Zuwendung und Schmerzen wahr.

Blickt man auf die christliche Landkarte, ist dort ein weißer Fleck, wo eigentlich die Welt der Tiere sein sollte. In den Kirchen ist die Wertschätzung der Bibel für die „Mitgeschöpfe des Menschen“ weitgehend verloren gegangen. Dass Gott Mensch und Tier am sechsten Tag erschaffen hat, ist zur Nebensache geworden. Die Ewigkeit scheint für den Homo sapiens reserviert. Sind damit auch Leben und Leiden der Tiere sinnlos? Der Schweizer Theologe Anton Rotzetter hält es für „überholtes Denken“, nur Menschen eine Seele zuzusprechen. „Warum sollte Gott etwas erschaffen, was er dann wieder vernichtet. Was Gott erschafft, bleibt. Auch Sonne und Mond, Mensch und Tier - alles bleibt.“

Haben Tiere eine Würde?

Jemand hat einmal in einem Leserbrief zum Thema „Haben Tiere eine Würde?“ geschrieben: „Niemals sollten Menschen sich so weit vergessen, um die lebenden Wesen zu behandeln wie alte Schuhe und abgenützte tote Geräte, die sie völlig übersättigt fortwerfen, wenn sie nicht mehr zu gebrauchen sind. Wir sollten es nicht tun und uns niemals bei alten, schwachen, kranken, lebendigen und beseelten Wesen nach dem Nutzen fragen.“

Mangelnder Respekt und fehlende Ehrfurcht vor allem Lebendigen, zerstört auch den Respekt und tötet die Ehrfurcht vor dem Leben der Mitmenschen. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und die eines Tieres?

„Die Tiere sind unsere Brüder, die großen wie die kleinen. Erst in dieser Erkenntnis gelangen wir zum wahren Menschentum.“ Auch dieser Satz stammt von Albert Schweitzer.