Nach zwei Schlägen auf den Spund floss das Bier. Foto: Torsten Ströbele

Gregor Gysi war am Kirbe-Meedich im Festzelt des Musikvereins Stadtorchester zu Gast.

Stuttgart-Feuerbach - Das Kirbe-Festzelt war am vergangenen Montagvormittag proppenvoll. Das lag nicht nur am Speisen- und Getränkeangebot des Musikvereins Stadtorchester Feuerbach (MSF) und an dessen Musikprogramm. Es lag vor allem am diesjährigen Festredner des traditionellen Honoratiorenstammtischs, Gregor Gysi. Zehn Jahre lang war er Fraktionsvorsitzender der Linken im Deutschen Bundestag. 2016 wählte ihn die Europäische Linke zu ihrem Präsidenten. Der 71-Jährige ist ein gern gesehener Gast in politischen Talkshows. „Wie haben Sie schon bei Anne Will gesagt? ,Jetzt lädt mich auch schon die Provinz ein‘“, erzählte der Vorsitzende des MSF, Reinhard Löffler zur Begrüßung. Dass ein preußischer Atheist und Linker die Festrede auf einem Kirchweihfest halte, gebe es nur in Feuerbach. „Wie geil ist das denn?“

Gysi selbst wunderte sich, warum ihn in letzter Zeit so viele Kirchen einladen: „Ich dachte es läge am Personalmangel“, sagte er und lachte. Aber das sei es nicht allein. Die Kirchenvertreter verstünden die Welt auch nicht mehr, deshalb würden sie nun Menschen einladen, die andere Ideen haben, um sie sich anzuhören. So wie es Papst Franziskus getan hat, bei dem Gysi zu Gast war. „Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht an Gott glaube, aber ich mich dennoch vor einer religionsfreien Gesellschaft fürchte, die frei von jeder allgemeinen verbindlichen Moral wäre“, erzählte Gysi. Ohne Religion gebe es zudem kein Weihnachten, kein Ostern und kein Pfingsten. Der Staat müsste dann einen Kindergeschenketag einführen, um das zu kompensieren. Aber das sei nicht alles, was er Papst Franziskus gesagt habe. Er habe ihm als linker Politiker seine Hilfe beim Organisieren des Wirtschaftskonvents 2020 angeboten. „Ich glaube aber nicht, dass er mein Angebot annehmen wird“, sagte Gysi und schmunzelte.

Gysi: Humorvoll, scharfzüngig und mit einer Prise Selbstironie

Mehr Hoffnung hegt er in die Erfüllung seines Wunsches nach einer Weltarmutskonferenz unter dem Dach der UNO. „Es wird höchste Zeit, dass wir uns damit beschäftigen.“ Dafür erntete er tosenden Beifall aus dem Publikum. Gysi wusste die Gäste im Festzelt in seinen Bann zu ziehen, obwohl es schwieriger sei einen Schwaben von linker Politik zu überzeugen als einem Eskimo einen Kühlschrank zu verkaufen, wie Reinhard Löffler meinte. „Aber Gregor Gysi beherrscht die Dialektik unseres Schwaben Georg Wilhelm Friedrich Hegel meisterhaft. Humorvoll, scharfzüngig und mit einer Prise Selbstironie sind seine Reden. Über die Altenpflegerin von Oskar Lafontaine würde ich das nicht sagen“, betonte Löffler und versetze Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht damit einen Seitenhieb.

Gysi lobte anschließend die „rebellische Jugend“, die sich für den Klimaschutz einsetzt und rügte die Politiker für ihre „falsche Sprache“ und dafür, nicht glaubwürdig zu sein. „Deshalb werden die etablierten Parteien auch abgewählt.“ Bevor er dann zur Tat schritt, um seinen ersten Fassanstich mit nur zwei Schlägen erfolgreich zu beenden, hatte er für die älteren Gäste noch einen Tipp parat: „Sie müssen nicht alles vererben. Gönnen Sie sich etwas und hören Sie auf, den ganzen Tag über Krankheiten zu quatschen. Dadurch wird man nicht gesund.“