Flotte Rentner: Corinna Harfouch und Karl Kranzkowski Foto: Alamode

Corinna Harfouch spielt im Kinoneustart „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?" eine Frau mit Demenz. Das präsentiert die Regisseurin Kerstin Polte nicht bierernst, sondern im skurrilen Stil von Wes Anderson. Wird das eher peinlich oder genial?

Stuttgart - In allen möglichen Grautönen erzählt das deutsche Kino gern traurige Geschichten. Kerstin Poltes „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ zieht das Porträt einer Demenzkranken (Corinna Harfouch), die aus ihrem eintönigen Leben ausbricht, aber als Komödie auf. Und sie hat ein großes Vorbild: die Arbeiten des Amerikaners Wes Anderson, der sich mit Filmen wie „Die Royal Tenenbaums“, „Moonrise Kingdom" und „Grand Budapest Hotel“ als origineller Stilist etabliert hat. Schauen wir also mal genauer hin, was „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ aus Andersons Kino-Universum borgt – und was daraus wird.

1.) Schöne Pastelltöne

Zu einem Wes-Anderson-Film gehört viel mehr als Andersons Lieblingsschauspieler Bill Murray. Zunächst mal und ganz augenfällig: ein ausgeklügeltes Farbdesign. Als Meister der Pastelltöne bastelt der Amerikaner Bilder gerne mal um hippe Signalfarben herum. Man denke nur an das schreiende Pink, in dem das „Grand Budapest Hotel“ daherkam. So entwirft Anderson gezielt eine visuelle Supernova, in der alles so sehr nach Zuckerwatte aussieht, dass man die surrealen Welten garantiert nicht mehr mit der Realität verwechseln kann.

Auch „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ will mit dem Farbtopf für ein bisschen Extravaganz sorgen – nur leider ohne Effekt. Wenn Polte Szenen komplett in Pastellgrün taucht, hat man zwar das Gefühl, etwas Unwirkliches zu sehen. Doch nie lässt die eher müde imitierte Optik zu, dass man sich in ihrer Surrealität verliert.

2.) Absonderliche Figuren

Ob der altkluge Pfadfinderjunge mit seinem Fuchsschwanz in „Moonrise Kingdom“, die absonderlichen Geschwister aus „Darjeeling Limited“ oder die trashige Hundegang in „Isle of Dogs“, die Figuren in Wes Andersons Filmen haben eines gemeinsam: Sie sind so nerdig, dass sie mit ihrer liebenswerten Abgedrehtheit sofort zu Publikumslieblingen werden, zu vogeligen Persönlichkeiten, an die man sich lange nach dem Filmabend noch gerne und amüsiert erinnert.

Auch davon hat sich „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ einiges abgeschaut. Im Zentrum der Geschichte steht ein skurriles Dreiergespann, bestehend aus einer gelangweilten Omi, einer verwahrlosten Rotzgöre mit Taucherbrille und deren verkappt chaotischer Mutter, die mit sich selbst und ihren Gefühlen überfordert ist. Auf den ersten Blick scheint auch Wes Anderson selbst diesem Figurenensemble Applaus klatschen zu dürfen. Allzu rasch aber entpuppen sich die Gestalten als bloße Stereotype, die lieblos gestaltet sind und nicht viel mehr mitbringen außer einer gewollt schrägen Oberfläche.

3.) Ein Hang zur Symmetrie

Eine Augenweide für Freunde der Bildspielerei: Die typische Wes-Anderson-Einstellung sieht aus, als hätte ihr in der Mitte jemand eine Spiegelachse verpasst. Mit seinem Hang zu perfekt symmetrischen Bildern bastelt Anderson nicht nur kleine Kunstwerke, die sich ausgedruckt gut als Wanddeko eignen würden. Er stellt sicher, dass seine extravaganten Welten möglichst weit weg von der Realität bleiben.

Auch hier eifert Poltes Komödie dem Meister nach. Wenn die verwirrte Großmutter auf der Suche nach Trost durch den Mittelgang einer alten, verlassenen Kirche läuft, ließe sich das Bild mühelos entlang der Mitte falzen und übereinanderlegen. Doch mit Symmetrie ist es nicht getan. Andersons Bilder werden gerade durch ihre stilisierte Künstlichkeit so besonders – und die geht „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ leider ab. Damit bleibt nur ein Fazit: Wenn schon abgekupfert wird, dann bitte richtig.

Wer hat eigentlich die Liebe erfunden? Deutschland, Schweiz 2017. Regie: Kerstin Polte. Mit Corinna Harfouch, Meret Becker. 93 Minuten. Ab 6 Jahren.