Leichen pflastern seinen Weg: Sylvester Stallone als Titelheld in „Rambo: Last Blood“Foto: Verleih Foto:  

Sylvester Stallone verabschiedet seinen Vietnam-Veteranen in den Ruhestand – nachdem dieser ein Blutbad unter widerlichen mexikanischen Mädchenhändlern angerichtet hat.

Stuttgart - wei Paraderollen hat der Italo-Amerikaner Sylvester Stallone sich auf den Leib geschrieben: Den Boxer Rocky Balboa und den Vietnam-Veteran John Rambo, zwei klassische Underdogs. Rocky, ein American Dream-Aufsteigers aus kleinen Verhältnissen, bescherte Stallone 1977 als drittem Drehbuchautoren und Hauptdarsteller überhaupt die Oscars in beiden Kategorien (nach Charlie Chaplin und Orson Welles), Rambo (1982), ein Rächer der Vergessenen, war die weitaus brisantere Figur.

Im fünften Kinoeinsatz gerät seine Ziehtochter Gabrielle in die Fänge mexikanischer Mädchenhändler, die dafür teuer bezahlen nach bewährtem Muster: Erst steckt Rambo heftig ein und gibt den Schmerzensmann im Martyrium, womöglich eine Folge von Stallones katholischer Sozialisation, dann teilt er umso heftiger aus mit dem Nimbus der Unbesiegbarkeit. Stallone bringt mit seinen 73 Jahren noch genug physische Präsenz auf, um glaubwürdig zu wirken, ohne die Schwergängigkeiten des Alters zu leugnen. Am Ende läuft er noch einmal zu großer Form auf, richtet Bogen und explosive Pfeilen her und präpariert das GängeLabyrinth unter seiner Farm in Arizona mit den für ihn typischen Fallen aus Granaten, Pfählen, Gruben. Die wüsten Mädchen-Versklaver laufen mitten hinein mit ihren Sturmgewehren und Tätowierungen – obwohl ein Flammeninferno zur Begrüßung sie hätte vorwarnen müssen.

Rambo durchbricht den Grenzzaun

Es folgt eine sehr blutige Gewaltorgie, und auch dafür gab es eine Vorwarnung: Rambo lockt die Mexikaner an, indem er einem ihrer Anführer den Kopf absäbelt. Noch unappetitlicher sind nur die Bilder der übel misshandelten Frauen – der Drehbuchautor Stallone vertraut der menschlichen Vorstellungskraft nicht, er und sein Regisseur Adrian Grunberg zeigen alles haarklein. Dafür verzichten sie auf Einordnung. Die einzige positive Erscheinung in Mexiko, eine Journalistin (Paz Vega), deren Schwester die Gangster auf dem Gewissen haben, bleibt nur eine Statistin, das Potenzial der Figur verpufft. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass mexikanische Grenzstädte auch wegen der Nachfrage in den USA so verkommen, und wenn Rambo mit seinem Monster-Pickup den Grenzzaun durchbricht, wirkt das wie ein Plädoyer für Donald Trumps Mauer – von der exzessiven Selbstjustiz gar nicht zu reden – auch noch so üble Typen haben im Rechtsstaat Rechte. Das grundsätzliche Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen gehört zur Rambo-DNA, hier aber wirkt es wie Wasser auf die Mühlen der Populisten.

Der erste „Rambo“-Film von 1982 erzählte von einem traumatisierten Vietnam-Heimkehrer, der im Krieg alles verloren hat. Der übereifrige Sheriff der erzkonservativen Provinz-Kleinstadt Hope nimmt ihn als Landstreicher fest, auf dem Revier wird er misshandelt. Er kann fliehen, bewaffnet nur mit seinem riesigen Fahrtenmesser, und bei der Treibjagd durch den Wald dezimiert er übermächtige Verfolger mit der Unbeirrbarkeit eines Mannes, der durch die Hölle gegangen ist. Am Ende sagt er unter Tränen, er wolle doch nur ein wenig Respekt – der gesellschaftskritische Subtext aus der Vorlage des Romanautors David Morell war voll da.

„Ich bin entbehrlich“, hat Rambo einst gesagt

In „Rambo II“ (1985) gab es immerhin noch Ansätze: Dem Helden winkt eine Begnadigung, wenn er in Vietnam US-Kriegsgefangene aufspürt. Als er einen befreit und verfolgt von Soldaten den Treffpunkt erreicht, verrät ihn der Einsatzleiter und beordert den in Sichtweite schwebenden Helikopter zurück – weil die in Washington gar niemand Interesse daran hat, die Öffentlichkeit mit Kriegsgefangenen zu konfrontieren. Von einem „kalten Krieg gegenüber die zurückkehrenden Soldaten“ spricht Rambo da, und auf die Frage, wieso ein Elitesoldat wie er in so ein Himmelfahrtskommando geschickt wird, antwortet er zynisch: „I’m exependable“ – „Ich bin entbehrlich“. Später machte Stallone daraus die Kinoreihe „The Expendables“ über eine Söldnertruppe – mit ausgemusterten Hollywood-Action-Helden.

Nun ist der Subtext aus „Rambo“ verschwunden, es bleibt der Zynismus nackter Gewalt-Action ab 18. Genre-Freunde und Wegbegleiter kommen schwer daran vorbei – und sei es nur der Vollständigkeit halber.