Ein Sommerfilm: Armie Hammer (links) und Timothée Chalamet Foto: Verleih

Luca Guadagnino hat André Acimans Bestseller mit großer Leichtigkeit und mit viel Einfühlungsvermögen adaptiert. Die Liebesgeschichte ist einer der großen Oscar-Favoriten.

Stuttgart - Ein Film über Vergänglichkeit, Beiläufigkeit, die Liebe zwischen zwei Männern. Unaufgeregt, unaufdringlich. Ein Sommerfilm: lichtdurchflutet, leicht hat Luca Guadagnino den gleichnamigen Erfolgsroman von André Aciman verfilmt. 1983, eine Villa im Norden Italiens. Der 17-jährige Elio (Timothée Chalamet) lebt hier mit seinen Eltern. Sorgenfrei, glücklich. Sein Vater (Michael Stuhlbarg) ist ein anerkannter Kunsthistoriker, der sich vornehmlich mit antiken Statuen beschäftigt. Zu Gast ist der 24-jährige amerikanische Stipendiat Oliver (Armie Hammer). Elios und Olivers Blicke kreuzen sich, scheu fast. Die Atmosphäre ist aufgeheizt. Unter der Oberfläche brodelt es.

„Later“, kurz für „see you later“, so verabschiedet sich der US-Boy stets lapidar. In der Familie Perlman macht man sich darüber schon lustig. Das „wir sehen uns“, auch mit „später“ zu übersetzen, verweist zudem darauf, dass noch etwas passieren wird – und darauf, dass man die nicht genutzten Tage noch vermissen wird. Ein bisschen Trauer, ein wenig Schmerz hängt in der Luft. Ein Hauch von Melancholie umweht die Figuren. Neugier weckt beim Zuschauer wohlige Ungeduld. Allgemeinheiten werden ausgetauscht. „Und was treibst du so?“ fragt Oliver. „Bücher lesen, Musik transkribieren, im Fluss schwimmen, abends ausgehen . . .“, antwortet Elio. „Alles klar. Wir sehen uns . . .“ Die jungen Mädchen, darunter Elios gleichaltrige Freundin Marzia (Esther Garrel) diskutieren da längst über den Sexappeal und die erotische Ausstrahlung des Gastes: „Er ist besser als der Typ, der letztes Jahr da war.“

Kein Hollywood-Schmalz

Der italienische Regisseur, bei dem man nach „A Bigger Splash“ eher direktere, härtere Töne vermutet hätte, nimmt sich wunderbar zurück, vertraut ganz dem einfühlsamen, klugen Drehbuch von James Ivory („Die Zeit der Jugend“). Dem gelingt in der Szene, im dem Elio dem Papa seine Homosexualität gesteht, ein genialischer Dialog, in dem er dem Sohn erklärt, was der an Oliver hat – und diese Chance nutzen soll. Kein trotziges „queer cinema“, kein Hollywood-Schmalz, kein aufgeklärtes liberales Getue. Liebe ist Liebe. Punkt. Das wird von Sayombhu Mukdeeprom flirrenden Bildern perfekt illustriert, vom Italo-Pop-Soundtrack stimmig untermalt. Die Schmetterlinge im Bauch sind spürbar, auch dank des präzisen, nuancierten Spiels von Chalamet („Interstellar“) und Hammer („Lone Ranger“). Gespannt darf man den Oscars entgegenfiebern: Der Film und der junge Hauptdarsteller sind ebenso nominiert wie das adaptierte Skript und Sufjan Stevens’ Song „Mystery of Love“.