Kreisch! Hollywoodstar und Oscar-Preisträger Leonardo DiCaprio Foto: dpa/Jordan Strauss

„Titanic“ machte Leonardo DiCaprio 1997 zum globalen Kreischobjekt. Wie der Schauspieler mit deutschen Genen es zum ernsthaften Charakter-Darsteller schaffte, zeigt eine vorzügliche Arte-Dokumentation.

Los Angeles - Es ist die blanke, nackte, weltumspannende Hysterie: Als James Cameron 1997 sein dreistündiges Untergangsepos „Titanic“ in die Kinos bringt, wird der Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio zum globalen Kreischobjekt. Wo immer er in der Öffentlichkeit auftritt, prügeln sich die Fotografen um das beste Bild, geraten vor allem Mädchen und junge Frauen außer Rand und Band. Praktisch über Nacht wird der blendend aussehende, braunhaarige Wuschelkopf mit gerade einmal 23 Jahren zur Hollywood-Ikone. Und wenn man rückblickend etwas in jedem Fall bewundern muss am Menschen DiCaprio, dann ist es dieses: Irgendwann hat er offenbar gespürt, dass an dieser Stelle seines Lebens Triumph und Abgrund ganz nah beieinanderliegen.

Heute, mehr als zwei Jahrzehnte später, kennen und schätzen Filmfreunde in aller Welt den inzwischen 46-Jährigen als derzeit wohl besten, vor allem wandlungsfähigsten Charakterdarsteller, den das US-Kino zu bieten hat. Die knapp einstündige Dokumentation „Leonardo DiCaprio – Most wanted“ von Henrike Sandner, die Arte jetzt zeigt, erzählt auf bestem Niveau von dieser ganz außergewöhnlichen Geschichte einer Filmkarriere, die längst selbst ein eigenes Stück Kinogeschichte geworden ist.

Er behauptet sich gegen Robert De Niro

Auch Sandner steigt zwar ein, wie könnte es anders sein, mit dem Hype um „Titanic“. Doch sein großes Anliegen ist, eben nicht nur zu zeigen, wie gut DiCaprio als Schauspieler in der Zeit nach „Titanic“ wurde, sondern vor allem, wie gut er als Schauspieler schon vor „Titanic“ gewesen war – womit wie nebenbei auch deutlich wird, wie frappierend wenig sich der Schiffs-Regisseur James Cameron für das spielerische Potenzial seines Hauptdarstellers interessiert hatte.

Im Familiendrama „This Boy’s Life“ (1993) hatte sich der noch nicht mal 20-jährige DiCaprio am Set gegen Robert De Niro zu behaupten; Regisseur Michael Caton-Jones berichtet in der Doku von der Arbeit. In „Gilbert Grape“ (1993) spielte DiCaprio einen behinderten Jungen so „echt“, dass die Filmautorin Agnieszka Holland, wie sie erzählt, als Zuschauerin lange Zeit glaubte, die Rolle sei tatsächlich mit einem behinderten Jungen besetzt. Weswegen sie umgehend DiCaprio engagierte als schön-gefährlichen Dichter Arthur Rimbaud in „Total Eclipse“ (1996).

Für den „Revenant“ gibt es endlich den Oscar

Am Ende des Jahrtausends, als die Welt für ihn kopfsteht, erinnert sich DiCaprio gerade zur rechten Zeit an diese Arbeiten, an sein Frühwerk – und knüpft eine künstlerische Liaison mit Regiealtmeister Martin Scorsese. Mit „Gangs of New York“ und „Aviator“ beginnt eine Rollen-Erfolgsgeschichte, die 2016 auch mit dem längst fälligen Oscar belohnt wird – für den eigentlich unfassbaren „Revenant“ unter Regie von Alejandro Innaritu.

Viele Filmausschnitte, viele interessante Interviews: Die Doku „Most wanted“ glänzt mit Expertise und Unaufgeregtheit. Eine Sternstunde für jeden Filmfreund.

Arte,
5. Februar 2021, 22.25 Uhr; auch in der Mediathek. Am 14. Februar (Valentinstag!) zeigt Arte um 20.15 Uhr Leonardo DiCaprio in Baz Luhmans spektakulärer Popkultur-Filmfassung von „Romeo und Julia“ aus dem Jahr 1996.