Ein fröhlich-buntes Schild weist den Weg zur Jugendfarm in Birkach. Foto: Jacqueline Fritsch

Die Jugendfarmen haben durch die Betreuung von Kindern mehr Aufgaben bei gleich viel Geld. So könne man nicht weitermachen, heißt es. Und die Kinder selbst wollen übrigens etwas ganz anderes...

Filder - Die Feuerstelle ist das erste Ziel der Werkrealschüler. Mit Pappkartons, Holzstücken und Streichhölzern machen sie im Nullkommanichts ein großes Feuer. Klaus Schock steht daneben und gibt den Jugendlichen Tipps. „Normalerweise würde ich sie jetzt einfach ausprobieren lassen und sie erst anleiten, wenn es nichts wird“, sagt der Mitarbeiter der Filderstädter Jugendfarm. Die Schüler sind aber nur bis 15.30 Uhr da – wenn sie also an der Feuerstelle Stockbrot rösten wollen, muss zügig eine Glut her.

Die, die kommen, kommen nicht freiwillig

Die Jugendfarm Filderstadt verändert sich. Nicht das Gelände am Rande von Bonlanden, aber die Kinder, die dort spielen. Laut Peter Schock kommen immer mehr Ganztagsschüler auf die Farm. Und weil immer mehr Kinder den ganzen Tag in der Schule verbringen, wird das offene Spielangebot weniger genutzt. „In Summe sind es nicht weniger Kinder als früher“, sagt Schock, „aber die, die kommen, sind eben nicht mehr freiwillig hier“.

Peter Schock arbeitet bereits seit 32 Jahren hauptamtlich auf der Jugendfarm. Früher sei es selbstverständlich gewesen, dass sich ältere Jugendliche auf der Farm um jüngere Besucher kümmern. „Aber seit es das achtjährige Gymnasium gibt, haben die Großen nicht mehr so viel Zeit“, sagt er. Außerdem beobachtet der Betreuer, dass die Kinder immer unselbstständiger werden: „Heutzutage haben alle so einen durchgeplanten Alltag mit Schule, Sport und Musik, dass sie gar nichts mehr mit sich anzufangen wissen, wenn sie mal frei haben“, sagt Peter Schock. Deshalb müssten sich die Betreuer intensiver um die Kinder und Jugendlichen kümmern als früher.

Das Mehr an Kindern gehe an den Farmen nicht spurlos vorbei

Ähnlich geht es auch den Stuttgarter Jugendfarmen und Aktivspielplätzen. Peter Falkenstein von der Jugendfarm Birkach erzählt von einer veränderten Besucherstruktur wegen der Angebote für Ganztagsschüler. Demnach würden deutlich mehr Kinder die 22 Stuttgarter Jugendfarmen und Aktivspielplätze besuchen als früher – in Birkach sind es statt 53 mittlerweile 60 Besucher pro Tag. „Das geht an den Plätzen nicht spurlos vorbei“, sagt Falkenstein. Sanierungen könnten aber nur mithilfe von Spenden finanziert werden. Denn die Förderung der Stadt ist trotz der Veränderungen auf den Jugendfarmen gleich geblieben. Finanziert werden vom Träger unter anderem zwei Vollzeitstellen auf der Birkacher Jugendfarm. Laut Falkenstein reichen die aber nicht mehr aus – und Ehrenamtliche zu finden, sei sehr schwierig. „So kann man nicht mehr weitermachen“, sagt er.

122 000 Euro hat die Jugendfarm Birkach im vergangenen Jahr ausgegeben. Ein Praktikant konnte in diesem Jahr nicht eingestellt werden, weil das Geld nicht gereicht hat. Mit zwei Freiwilligendienstlern und verschiedenen Aushilfen habe man sich über Wasser gehalten, so Falkenstein. Alle 22 Jugendfarmen bekommen im Jahr zusammen etwa vier Millionen Euro von der Stadt. Davon sind drei Millionen für die Bezahlung der Hauptamtlichen und etwa eine Million zur Förderung von Betriebsausgaben. So werden Investitionen von mehr als 2000 Euro mit 50 Prozent bezuschusst. Laut Peter Falkenstein ist das zu wenig: „Es ist jedes Jahr ein neues Rennen: Kriegen wir es finanziert oder nicht?“

Nun tut sich etwas beim Geld in Stuttgart

Deshalb haben die Stuttgarter Jugendfarmen gemeinsam mit dem städtischen Jugendamt ein neues Konzept entwickelt. Das sieht unter anderem vor, dass Investitionen von mehr als 2000 Euro nicht mehr mit 50, sondern mit 75 Prozent bezuschusst werden. Außerdem sollen Schulen das Personal für die Ganztagsbetreuung auf den Jugendfarmen stellen, sodass die Farm nur noch den Platz bieten muss. Insgesamt spricht Peter Falkenstein von einem Mehrbedarf von rund 1,5 Millionen Euro für alle 22 Jugendfarmen. „Das wäre für alle eine große Erleichterung“, sagt er. Die Genehmigung des Konzepts steht noch aus.

In Filderstadt würde das natürlich nichts ändern. Klaus Schock würde sich zwar über mehr Personal freuen – er ist aber auch froh, dass auf der einzigen Farm in der Stadt so viel los ist. „Es gab auch eine Zeit, in der man sich gefragt hat, ob man diese Einrichtung überhaupt noch braucht“, sagt er. Da sei es doch so besser. Für die Kinder allerdings würde er sich wünschen, dass das offene Spielangebot wieder mehr gefragt ist. „Jedes Jahr, wenn die Ganztagsklassen herkommen, fragen wir, was die Kinder hier machen wollen“, erzählt er, „und sie sagen immer, dass sie frei spielen und kein festes Programm wollen“. Also wollen sie genau das, wofür die Jugendfarm ursprünglich gedacht war: draußen sein, spielen oder Feuer machen – ohne Zeitdruck und ohne festen Plan.