Wie denken Jugendliche über ihre eigene Erziehung? Foto: oneinchpunch/Adobe Stock

In einer Serie in unserer Zeitung sind bisher Eltern und Experten zu Wort gekommen. Was aber denken die Kinder? Vier Mädchen und Jungen erzählen, wie sie erzogen werden – und was sie nervt.

Stuttgart - In Frankreich herrscht in Sachen Erziehung noch die harte Hand, in Italien werden Kinder vergöttert. Ein Paar aus Stuttgart-Vaihingen hat seine Kinder in den 70ern und 80ern antiautoritär erzogen. Und ein ehemaliger Schulleiter mahnt: Auch Lehrer stoßen bei verhaltensauffälligen Schülern irgendwann mal an ihre Grenzen. In einer Serie haben wir Experten und Eltern über das Thema Erziehung diskutiert. Heute kommen Kinder und Jugendliche selbst zu Wort.

Emelie, 12 Jahre:

„Bei uns in der Familie dreht sich in Sachen Erziehung alles um Vertrauen. Meine Eltern trauen mir zu, dass ich viele Situationen schon gut selbst einschätzen kann. Natürlich darf ich nicht ewig draußen unterwegs sein oder bis spät nachts aufbleiben. Aber meine Freunde dürfen das auch nicht. Im Haushalt müssen meine Schwestern und ich auch helfen. Das Gute ist, dass meine Eltern nicht einfach Regeln aufstellen, sondern sie mir auch immer erklären. Wenn ich mal nicht bei einer Freundin übernachten darf, sagen sie mir auch immer warum. Also zum Beispiel, weil ich lernen muss oder so etwas. Das verstehe ich dann. Meistens. Das einzige Problem ist die Sache mit dem Smartphone. Apps wie Instagram und Snapchat durfte ich zum Beispiel erst später als meine Freunde haben, das fand ich dann schon blöd. Und die Musikvideo-App TikTok darf ich auch nicht benutzen. Ich hatte es schon einmal heruntergeladen. Da hing ich dann die ganze Zeit am Bildschirm und habe mir Choreografien für meine Videos überlegt. Da haben sich meine Eltern Sorgen um meine Noten gemacht. Im Nachhinein verstehe ich das aber schon, wenn ich ehrlich bin. Mir ist es ja selbst wichtig, gute Noten zu haben.“

Till, 17 Jahre:

„Meine Eltern schreiben mir nicht mehr viel vor. Beim Weggehen schaue ich eher danach, wie ich heim komme, wann der letzte Bus fährt oder so etwas. Solange ich nicht total betrunken nach Hause komme, sind meine Eltern auch sehr locker. Ich hab noch zwei jüngere Geschwister, mein Bruder ist erst vier. Daher liegt die Aufmerksamkeit in Sachen Erziehung eher auf ihm. Aber das macht nichts, ich erziehe mich dann einfach noch ein bisschen selbst. Vieles lernt man sowieso erst, indem man es ausprobiert. Ich wohne bei uns unten im Keller. Da kann ich mich zurückziehen und es interessiert sich nicht wirklich jemand dafür, was ich mache. Manchmal gibt es noch Kleinigkeiten, bei denen meine Eltern und ich diskutieren. Zum Beispiel wenn sie finden, ich würde zu lange duschen oder mein Zimmer wäre zu dreckig. Das nervt schon. Ich mache dann aber meistens eh, was ich will. Andererseits ist mir schon klar, dass ich, solange ich noch zuhause wohne und weiter dort wohnen will, ein bisschen darauf achten muss, was meine Eltern sagen.“

Annika, 15 Jahre:

„Es gibt schon ein paar Streitthemen bei uns. Manches versteh’ ich, anderes weniger. Wenn ich zum Beispiel schlechte Noten schreibe, weil ich nicht gelernt hab’, finde ich ein bisschen Ärger okay. Dass ich mir keinen Helix-Piercing ins Ohr stechen lassen darf, finde ich dagegen richtig blöd. Wenn es mir gefällt, wieso nicht? Das größte Streitthema ist aber das Weggehen abends. Ich muss immer mit dem Bus um halb elf nach Hause kommen. Meine Freunde fahren aber um halb zwölf oder sogar noch später. Wegen dieser Stunde kriegen meine Mutter und ich uns ständig in die Haare. Klar, manche von meinen Freunden sind schon älter als ich. Trotzdem wäre es doch sicherer, ich könnte mit ihnen zusammen nach Hause fahren. Im Großen und Ganzen ist es schon okay so, wie es bei uns läuft. In meinem Freundeskreis gibt es auch Eltern, die viel strenger sind. Das würde mich auch nerven. Andere Eltern sind viel zu entspannt. Ich bin froh, dass ich nicht immer nur alleine zu Hause bin und sich jemand um mich kümmert.“

Anton, 9 Jahre:

„Ich weiß, dass es Regeln gibt, an die man sich als Kind hält. Meine Eltern wollen, dass ich schon jetzt lerne, Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört zum Beispiel, dass ich ab und zu selbst kochen muss. Am liebsten Tortellini oder Gnocchi. Mittlerweile mache ich das aber auch wirklich gerne. Ich glaube, da lerne ich was für’s Leben. Geregelt ist natürlich auch, wann ich ins Bett gehe: Immer um 20 Uhr nach der Kindernachrichtensendung „Logo!“. Es gab auch schon Tage, an denen ich später ins Bett gegangen bin. Am nächsten Tag war ich aber müde und konnte mich in der Schule nicht konzentrieren. Seitdem höre ich auf meine Eltern und mache spätestens um 21 Uhr das Licht aus. Ich darf meistens nur zwei Stunden Fernsehen schauen und ein Handy hab ich noch nicht. Aber das nervt mich nicht. Meine Eltern machen dafür immer lustige Ausflüge mit mir. Davon hab’ ich mehr. Jungs sind oft wild. Sie ärgern sich gegenseitig – und auch die Mädchen. Aber ich glaube, das ist bei Jungs einfach so. Das muss nicht unbedingt an der Erziehung liegen.“