Nele Gaukel zeigt mir, wie ich die „tragende Kraft des Wassers“ spüren kann. Foto: Patricia Sigerist

Nele Gaukel zeigt, wie man sich vom Wasser tragen lässt. Jan Fleischer macht den Selbstversuch.

Kernen - Ohne zu wissen, was mich erwartet, sitze ich im Stettener Bädle auf der Wiese und warte auf Nele Gaukel. Angekündigt ist die Veranstaltung gemeinsam mit Bademeister Eberhard „Ebbe“ Kögel unter dem Motto „Warum schwimmen, wenn du fliegen kannst“ – ich bin gespannt.

Nele Gaukel gibt schon seit 20 Jahren Schwimmunterricht, hauptsächlich für Kinder. Am liebsten arbeitet sie aber mit Erwachsenen, bestenfalls im Einzelunterricht. Den Ansatz zum Schweben hat sie in Amerika von Robert Strauss gelernt, wo sie nach ihrem Sport- und Französisch-Studium unterwegs war. Zur Zeit übersetzt sie sogar ein englisches Buch, das von der Angst im Wasser handelt, ins Deutsche.

Für mehr Auftrieb muss man ganz unter Wasser sein

Ebbe Kögel zieht seine Wollsocken aus. Das ist das Zeichen: Es geht los. Ich werde in die erste Gruppe

Am Anfang noch voller Zuversicht,...
eingeteilt. Zu Beginn soll jeder zeigen, was er kann. Ich kraule eine Bahn, tauche ein wenig. Frau Gaukel fällt auf, dass ich „gerne im Wasser“ bin. Um beim Kraulen mehr Auftrieb zu bekommen, soll ich den Kopf ganz unter Wasser halten, dann schwebt man mehr und muss nicht so viel schwimmen. Zusätzlich gibt es noch Tipps zu meiner Atemtechnik. Aber so richtig funktioniert es nicht. Ich schlucke immer Wasser, werde furchtbar hektisch, und eine ganze Bahn schaffe ich auch nicht, wenn ich versuche, mein Gesicht nur zum Atmen aus dem kühlen Nass zu heben. Ich stehe kurz vor der Verzweiflung. Mir wird gesagt, ich solle langsamer paddeln. Ebbe Kögel erzählt mir, ich müsse meinen „Groove finden. Jeder hat seinen eigenen Rhythmus.“ Es fängt an besser zu werden.

„Die meisten Leute glauben, Schweben ist nur, wenn man flach liegt“

In der nächsten Übung geht es ums Schweben im Wasser. Erst als Paket, anschließend mit dem Kopf im Nacken. Was zusammengerollt klappt, scheint in der Rückenlage nicht zu funktionieren. Sobald ich den

...später kurz vor der Verzweiflung.
Beckenrand loslasse fange ich an zu sinken. „Wenn man die Arme nach hinten streckt, verändert sich nochmal der Körperschwerpunkt, die Beine werden nach oben gezogen“, erklärt mir Nele Gaukel, „zusätzlich kann man noch die Hände aus dem Wasser strecken, dann wirkt die Schwerkraft auf diese und hebt die Beine noch weiter an.“ So lange ich die Luft anhalte, schwebe ich. Ich versuche, ein kleines bisschen zu atmen. Ich sinke. „Die meisten Leute glauben, Schweben ist nur, wenn man flach im Wasser liegt, bei vielen gehen die Beine jedoch unter. Das zählt aber auch. Jeder schwebt anders“, versucht mir Nele Gaukel Mut zu machen. „Es gibt aber auch Menschen, die prinzipiell sinken“, erklärt sie. Nachdem selbst die Technik mit den aus dem Wasser gestreckten Händen nicht zu funktionieren scheint, gratuliert mir Frau Gaukel vorerst: Ich bin ein Sinker.

Vom Beckenboden aus betrachtet sieht die Welt so friedlich aus

Ebbe Kögel zeigt uns, dass, wenn man nach und nach im Wasser ausatmet, man zu sinken anfängt. Ich setze

Nele Gaukel zeigt mir, wie ich die „tragende Kraft des Wassers“ nutzen kann.
mich auf den Boden des Beckens. Mit einer Schwimmbrille bewaffnet, kann man von hier aus die Welt aus einer anderen Perspektive betrachten. Alles wirkt so friedlich, man hat seine Ruhe. Wenn ich nicht nach kurzer Zeit zum Atmen wieder auftauchen müsste, wäre es noch gemütlicher.

Da ich in Bauchlage, mit dem Gesicht im Wasser und alle viere von mir gestreckt allerdings doch zu schweben scheine, nimmt Nele Gaukel die Glückwünsche zurück. Ich bin wohl doch kein kompletter Sinker. In der 90-minütigen Übung habe ich ein ganz neues Gefühl im Wasser entwickelt. Ich habe viel gelernt – und einen Sonnenstich.