Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (3.v.r.) begutachtet auf einer Messe Raketen von Diehl Aerospace, die auch in Baden-Württemberg operieren. Foto: dpa Foto:  

Mit interaktiver Grafik - Nach einem Treffen mit Betriebsräten in Berlin hält Sigmar Gabriel Kurs: Er will Waffenexporte an Drittländer weiterhin beschränken. Auf die Rüstungsindustrie kommen härtere Zeiten zu – auch in Baden-Württemberg.

Berlin - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will trotz großer Arbeitsplatz-Sorgen an seinem Blockadekurs bei vielen Rüstungsexporten festhalten. „Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen“, zitierte Gabriel am Dienstag nach einem Treffen mit rund 20 Betriebsräten aus der Rüstungsindustrie die für den Export maßgeblichen politischen Grundsätze. Diese waren im Jahr 2000 noch zu rot-grünen Zeiten beschlossen worden. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass diese Richtlinien weiterhin für Exportentscheidungen gelten sollen.

Der Wirtschaftsminister will Waffenlieferungen an autoritäre Regime auch künftig unterbinden: Bei der letzten Sitzung des geheim tagenden Bundessicherheitsrats hat Gabriel fast zwei Drittel der Ausfuhren an Kriegsgut an Länder außerhalb der EU und der Nato – sogenannte Drittländer – gestrichen. Besonders Waffen- und Panzerlieferungen in den arabischen Raum will Gabriel eindämmen. Die Ausfuhren in Drittstaaten waren im vergangenen Jahr auf Rekordhöhe gestiegen. 2013 hatte die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung aus Union und FDP Rüstungsexporte in Höhe von insgesamt 8,34 Milliarden Euro genehmigt. Grund für das Treffen mit den Betriebsräten am Dienstag war auch ein Brandbrief aus dem Juni, in dem Betriebsräte das Fehlen einer klaren Linie kritisierten. Für einige Rüstungsunternehmen sei es „kurz vor zwölf“, hieß es darin. Die Betriebsräte mahnten nach dem Treffen ein rasches Konzept an und forderten mehr Aufträge von der Bundeswehr.

Der Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, Roman Zitzelsberger, fordert einen stärkeren Dialog zwischen Politik und Wirtschaft. Die Bundesregierung müsse „zuerst eine klare Aussage treffen, wie viel Wehrtechnik Deutschland braucht und will. Dann müssen Politik und Wirtschaft gemeinsam überlegen, welche Alternativen es für die Beschäftigten gibt“, sagte er.

Der Vorsitzende des Forums Luft- und Raumfahrt Baden-Württemberg (LRBW), Rolf-Jürgen Ahlers, sagte unserer Zeitung: „Die Exportbeschränkungen dürften sich auf die Rüstungsindustrie in Baden-Württemberg massiv auswirken.“ Neben bekannten Herstellern wie Airbus oder Heckler & Koch seien auch viele Zulieferer indirekt betroffen, sagt er. „Bei den kleinen und mittelständischen Zulieferern sind etwa drei- bis viermal so viele Arbeitsplätze gefährdet wie bei den eigentlichen Herstellern“, sagt Ahlers. Er selbst ist Inhaber von zwei mittelständischen Betrieben, die unter anderem Rüstungsfirmen beliefern.

Von der Politik fordert Ahlers, bei diesen Themen geräuschloser zu agieren. „In meiner Funktion als Branchenvertreter sehe ich die Exportbeschränkungen sehr kritisch, da sie einen stark populistischen Charakter haben.“ Derzeit passiere sehr viel aufgrund der Tatsache, dass darüber öffentlich geredet werde, sagt er. Die Zahl der Arbeitsplätze, die in Baden-Württemberg direkt oder indirekt von den Exportbeschränkungen gefährdet sein könnten, lasse sich laut Ahlers aber nur schwer beziffern.

Einer der größten Hersteller dürfte die Airbus Group sein, deren Verteidigungssparte Defence and Space unter anderem in Immenstaad am Bodensee ihren Sitz hat. Dort und an allen anderen rüstungsrelevanten Standorten der Airbus Group in Baden-Württemberg arbeiten derzeit rund 4000 Menschen, wie ein Sprecher mitteilt. Deutschlandweit seien es derzeit etwa 10 000. Die aktuelle politische Debatte wollte Airbus nicht kommentieren. Nur so viel: Das Unternehmen halte sich bei den Exporten selbstverständlich an die rechtlichen Vorschriften, sagte der Sprecher.

Das meiste Kriegsgut, das deutsche Rüstungshersteller im vergangenen Jahr an Länder außerhalb der EU und der Nato lieferten, ging nach Algerien (825,7 Millionen Euro), Katar (673,4), in die USA (610,7), nach Saudi-Arabien (361,0) und Indonesien (295,7). Neuerdings wird der Bundestag unmittelbar über Exportgenehmigungen des geheim tagenden Bundessicherheitsrats informiert.