Astrid Hagen mit ihrem Kater Findus: Der 13-jährige Siamkater ist Freigänger und bereits im Alter von sechs Monaten kastriert worden. Foto: Caroline Holowiecki

Das Böblinger Landratsamt hat Katzenhalter dazu aufgerufen, ihre Freigänger unfruchtbar machen zu lassen. Der Grund ist eine Katzenschwemme. Doch wie sehen Tierhalter diese Aufforderung?

Filder - Der Kreis Böblingen kämpft gegen eine Unmasse von streunenden Katzen. Der Druck ist so groß, dass das Landratsamt vor Kurzem einen bemerkenswerten Appell veröffentlicht hat. Tierhalter wurden aufgerufen, ihre Freigänger kastrieren zu lassen. „Das Tierheim des Landkreises nimmt vermehrt wahr, dass in letzter Zeit die Zahl von verwilderten Hauskatzen stark ansteigt“, heißt es in der Mitteilung. Viele Tiere seien den Menschen nicht mehr gewöhnt, etliche Streuner seien zudem unterernährt und krank. Gerade Katzenbabys hätten geringe Überlebenschancen.

Erst vor Kurzem hat die Kreisbehörde Freiwillige geehrt, die herrenlose Tiere einfangen und unfruchtbar machen lassen, „aber auch die konsequente Kastration von Katzen im Privathaushalt führt dazu, dass zu den bestehenden Populationen frei lebender Katzen nicht neue hinzukommen“, teilt Benjamin Lutsch, ein Sprecher, mit. Wichtig sei zudem, dass die Tiere gechipt oder tätowiert würden.

Kastrationspflicht für Freigängerkatzen gefordert

Astrid Hagen spricht von einer Selbstverständlichkeit. Ihr 13-jähriger Siamkater Findus ist Freigänger und bereits im Alter von sechs Monaten kastriert worden. „Damals hatten wir noch ein Weibchen aus dem Wurf, da war es klar, dass das passieren muss“, sagt sie. Befreundete Katzenhalter sähen das genauso. Die 56-jährige Steinenbronnerin nennt klare Gründe: Zum einen will sie einer unkontrollierten Vermehrung verbeugen, außerdem hat sie die Erfahrung gemacht, dass unkastrierte Männchen ihr Revier markieren, „und das stinkt“.

Bärbel Scheib-Wanner stinkt etwas anderes. Die Vorsitzende des Vereins Katzenhilfe, der in Kaltental seinen Sitz hat, lebt in Sindelfingen, und auch sie berichtet von einer Katzenschwemme. Sie und die anderen 750 Vereinsmitglieder sprechen sich daher schon lange für die Kastrationspflicht von Freigängerkatzen aus. Es im September päppelte sie fünf Babys bei sich zu Hause auf, jemand hatte sie aus einem Gebüsch in Waldenbuch gefischt. „So einen Herbst haben wir noch nicht erlebt“, sagt Scheib-Wanner. Den Kreis-Appell nimmt sie wohlwollend zur Kenntnis. Sie sagt aber auch: „Aufrufen kann man viel, aber solange es keine Forderung ist, ändert sich nichts.“

Landestierschutzverband setzt sich für Regelung ein

Als erste Kommune in Baden-Württemberg hat Berglen (Rems-Murr-Kreis) einen Vorstoß gewagt. Ab diesem Jahr müssen dort frei laufende Katzen registriert und unfruchtbar gemacht sein.

Auch in Schramberg (Kreis Rottweil) hat sich der Gemeinderat mit dem Thema auseinandergesetzt. Bärbel Scheib-Wanner erhofft sich davon eine Signalwirkung, und auch der Landestierschutzverband setzt sich für eine entsprechende Regelung ein. Bis die kommt, fangen Ehrenamtliche bei der Katzenhilfe Stuttgart regelmäßig Streuner ohne Chip oder Tätowierung ein, lassen sie auf eigene Kosten kastrieren und vermitteln sie weiter. Im Jahr 2018 etwa waren es 333 Tiere.

Aktuell warten im Kreistierheim Böblingen rund 30 Katzen auf ein Zuhause, erklärt Benjamin Lutsch, „das wird im Frühjahr wieder steigen“. Seit dem Appell seien dort etwa 20 Tiere kastriert worden – ein durchschnittlicher Wert. Dass der Aufruf des Landratsamtes massenhaft Menschen zum Gang in die Veterinärpraxen bewegen wird, glaubt Bärbel Scheib-Wanner nicht. „Es gibt vielleicht ein paar Leute, die sagen: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Die Vernünftigen haben es aber längst machen lassen“, glaubt sie. Vielen sei es schlichtweg egal, „solange der Kater keine Alimente zahlen muss“, sagt Scheib-Wanner.

Astrid Hagen sitzt in Steinenbronn für die Freien Wähler im Gemeinderat und hat im Rathaus erfahren, dass es zumindest in ihrer Heimatgemeinde keine Katzenplage gibt. Obwohl sie Kastrationen grundsätzlich befürwortet, stünde sie einer Pflicht auch skeptisch gegenüber. „Wie will man das nachweisen, wie will man das kontrollieren?“