Als Priester geweiht – am Zölibat gescheitert? Foto: Roman Milert/Fotolia

Ein Katholischer Geistlicher spricht über seine Nöte mit dem Zölibat, seinen Sehnsüchten und seinen Hoffnungen.

Stuttgart – Herr Martin Müller (Name von der Redaktion geändert) - Sie sind seit 24 Jahren katholischer Priester. Haben Sie Probleme mit dem Zölibat?
Vom ersten Tag der Weihe an.
Und wie äußerst sich das?
Ich habe immer wieder Sehnsüchte nach Geborgenheit und nach Zärtlichkeit. Gebet und ein durchaus erfülltes Priesterleben können das nicht wegretouchieren. Ich kann das auch nicht sublimieren. Diese Sehnsucht ist ein ständiger Begleiter, der mich mal mehr mal weniger stark belastet.
Kennen Sie noch andere Priester, denen es ähnlich geht?
Ich kenne ganz viele Priester, denen es ähnlich geht. Ich kenne Priester, die in schwulen Beziehungen leben. Ich kenne Priester, die eine Freundin haben bis in die Bistumsspitze hinein und die ich dennoch für großartige Priester halte! Es ist traurig, dass immer noch nicht offen darüber gesprochen werden kann in unserer Kirche.
Würden Sie den Priesterberuf jemals aufgeben?
Nein. Ich liebe diesen Beruf nach wie vor – außerdem wäre das mein berufliches Aus, weshalb ganz sicher auch solche Priester im Amt bleiben, die eigentlich diesen Zwiespalt „gelebte Beziehung und Amt“ nicht mehr aushalten.
Würden Sie diesen Weg nochmal wählen?
Nein. Der einzige Grund, warum ich nicht mehr Priester würde, ist nur die zölibatäre Lebensform. Ansonsten würde ich ihn jederzeit wieder gehen. Es ist wunderbar, sich mit seinen Mitmenschen auf den Weg zu Gott zu machen und sie an den Lebenswenden ihres Lebens zu begleiten. Eigentlich gibt es keinen schöneren Beruf für mich, vor allem, wenn ich spüre, wie sehr mir selbst die Menschen vertrauen, die sich ansonsten mit der Kirche schwer tun.
Was kann die Kirche gegen den Priestermangel tun? Den Zölibat aufheben?
Wir sind eine Weltkirche und haben deshalb den Anspruch, solche grundsätzlichen Fragen universal zu lösen. Ich bin für die Freistellung, also für den sogenannten charismatischen Zölibat. Das heißt nicht notwendigerweise, dass die Kirche durch die Aufhebung mehr Nachwuchs bekäme, zumal die Rahmenbedingungen durch eine weitere Säkularisierung der Gesellschaft und die immer größer werdenden Pfarreien ja nicht gerade einfacher werden. Aber zumindest würden wir diejenigen nicht mehr verlieren, die jetzt noch vor die Wahl gestellt sind, sich für eine Partnerschaft oder das Amt zu entscheiden.
Sie sind 51 Jahre alt. Glauben Sie, dass sich zu Ihren Lebzeiten am Zölibat etwas ändern wird?
Nein. Bisher hat es auch Franziskus – trotz seiner Offenheit und Herzlichkeit – nicht geschafft, an diesem Tabu zu rütteln. Die Folge wird ein weiterer Rückgang und damit auf Dauer das Sterben des katholischen Priestertums in Europa und Nordamerika sein. Und das finde ich in der Tat sehr traurig, denn ich liebe die Kirche und vor allem Jesus Christus und die Menschen noch immer.