Zum 100. Deutschen Katholikentag gibt das Bundesfinanzministerium eine Sonderbriefmarke heraus. Foto: epd

Reden wir über Gott! „Über wen?“ Vielen in Deutschland hat sich die Frage nach Gott noch nie gestellt. Gerade mit diesen Menschen will der 100. Katholikentag ins Gespräch kommen.

Stuttgart - Wer Beleidigungen und Schmähungen mag, dem muss die Ökumene ein Graus sein. Früher, als sich Katholiken und Protestanten noch spinnefeind waren, herrschte daran kein Mangel. Gläubige unterschiedlicher Konfessionen begrüßten sich mit Malediktionen wie „Greizblidz“, „Lutherbock“, „Papist“, „kadolischer Seggel“ oder „Wiaschtgläubiger“. Wenn man überhaupt miteinander sprach.

Das ging über Jahrhunderte so. Ökumene war vielen mehr Schreckgespenst als Wunschtraum. Auch als katholische Laien 1848 den ersten deutschen Katholikentag in Mainz ausriefen, war die Einheit der Kirchen eine ferne Vision, an die niemand ernsthaft glaubte.

Warmlaufen für das Luther-Jubiläum 2017

Vom 25. bis 29. Mai findet das Laientreffen zum 100. Mal statt. Die altbewährte kirchliche Nabelschau gastiert zum Jubiläum in Leipzig, eine Hochburg der ostdeutschen Konfessionslosen. Knapp anderthalb Jahre später, im Oktober 2017, geht es bei den Evangelischen dann richtig groß her.

Seit Beginn der Luther-Dekade 2008 lauft sich die evangelische Kirche warm für das Großereignis schlechthin: den 500. Jahrestag von Martin Luthers Thesenanschlag im Oktober 2017. Bei so viel Jubel und Trubel geht die Kirchenhistorie fast unter. Über Jahrhunderte haben Reformation und Gegenreformation das kirchliche Leben bestimmt. Protestantischen Pamphleten wie Luthers Kampfschrift „Wider das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet“ (1545) folgten postwendend päpstliche Bullen. Wer den interkonfessionellen Bund der Ehe eingehen wollte, brauchte beim Pfarrer erst gar nicht anzuklopfen.

Hände schütteln, Gräben zuschütten

Und heute? Seit die Ökumenische Bewegung 1910 in Edinburgh die erste Weltmissionskonferenz abhielt und 1948 der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Amsterdam gegründet wurde, bewegen sich die getrennten Christen mit wachsendem Tempo aufeinander zu.

349 Kirchen aus 120 Ländern gehören dem ÖRK heute an. Die Katholische Kirche hat dort aufgrund ihres Selbstverständnisses (sie versteht sich die einzig wahre und legitime Kirche Jesu Christi) nur Gaststatus. Der oberste Katholik und Protestant, Papst Franziskus und Heinrich Bedford-Strom, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), haben sich jüngst in Rom Hände geschüttelt und konfessionelle Gräben weiter zugeschüttet.

„Konfessionalismus überwinden“

Auch die Katholiken- und Kirchentage sind vom Geist kirchlicher Einheit beseelt. Fromme Wohlfühloasen, bei der sich alle konfessionsübergreifend super verstehen und am Harmonie-Brei laben. Zwar sind auf dem Weg zur Einheit noch hohe theologische Hürden zu nehmen. Doch weder das unterschiedliche Verständnis von Abendmahl und geistlichem Amt noch die Pfarrerehe und das Zölibat können den Aufbruch ernsthaft gefährden.

Die Protestanten wollen im Lutherjahr „jegliche Form von Konfessionalismus überwinden“ und keine „protestantische Selbstbeweihräucherung“ betreiben, wie Bischof Bedford-Strohm beteuert. Im Gegenzug will Papst Franziskus in diesem Oktober ins schwedische Lund reisen, wo 1947 der Lutherische Weltbund gegründet wurde. Statt eines neuen Anathemas (Kirchenbann) hat er eine Versöhnungsbotschaft im Gepäck und will die von Rom getrennten Christen um Vergebung bitten.

Die wahre Ökumene

Auf dem Leipziger Jubel-Katholikentag stimmt man sich schon mal auf den Festreigen ein. Neben dem obligatorischen Schwerpunkt Ökumene gibt es erstmals den Themenbereich „Leben mit und ohne Gott“, der sich dem Dialog mit Konfessionslosen widmet. Mit einem Anteil von 36,6 Prozent an der deutschen Bevölkerung (80,6 Millionen) ist ihre Zahl inzwischen größer als die der Katholiken (29,6 Prozent) und Protestanten (28,2, Prozent). Und sie wächst beständig.

Was die Kirchen umtreibt, ist ihnen ziemlich egal. Was den Kirchen wiederum nicht egal sein sollte. Denn die wahre Ökumene will Brücken zu allen Menschen schlagen – egal, ob Christ, Muslim, Buddhist oder Atheist.