Im Dienste des Naturschutzes begutachten Fachleute die Biotope und Mähwiesen im Kreis Göppingen, und dank dieser wertvollen Daten können Landwirte Fördergelder beantragen. Foto: Horst Rudel

Nicht jede Wiese wirft gutes Tierfutter ab und ohne Schafe gibt es keine Wacholderheiden – die Landwirte und Schäfer im Kreis Göppingen sind für die Landschaftspflege unersetzlich.

Kreis Göppingen - Wächst hier die Wiesenglockenblume und wiegt sich auch die Kalkaster sanft im Wind? Solche Fragen stellen sich die Biologen, die in diesem Jahr im Kreis Göppingen die Offenland-Biotope und damit alle Landschaftsformen, die nicht bewaldet sind sowie die natürlichen Lebensräume der wild lebenden Pflanzen und Tiere unter die Lupe nehmen. Die vom Land initiierte Kartierung 2017, bei der neben dem Kreis Göppingen auch der Kreis Breisgau-Hochschwarzwald auf der Agenda steht, hat in Bad Überkingen mit einer Kartierschulung der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) unter freiem Himmel begonnen.

Die Daten helfen den Landwirten bei der Antragstellung

„Wir wollen keinen Naturschutz im Blindflug betreiben und schon gleich gar keine Geheimniskrämerei“, rechtfertigte Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann die aufwendigen Arbeiten, bei denen auf Grünland spezialisierte Biologen vom Frühjahr bis zum Herbst die Vegetation der hiesigen Biotope untersuchen werden. Die landesweit dafür veranschlagten 3,6 Millionen Euro seien gut investiertes Geld in eine Schatzkarte der Natur, zumal die betroffenen Landwirte auf Basis der erhobenen Daten ihre EU-Förderanträge stellen könnten. Auf diese enge Verflechtung von Landschaftsbild und Landwirtschaft machte auch die Landtagsabgeordnete Nicole Razavi (CDU) aufmerksam. Dabei verfolge man die Ausgewogenheit zwischen Ökologie und Ökonomie. Razavi sagte, die Existenz der hiesigen Landwirtschaft sei eng mit den Förderprogrammen der Europäischen Union verknüpft: „Wir bekommen hier viel zurück.“

Nach der Kartierung werde im Winter das Kartenmaterial als Grundlage für die Landschaftsplanung und viele weitere Planungsvorgänge aktualisiert, erklärte Werner Franke, der bei der LUBW die Abteilung Nachhaltigkeit und Naturschutz leitet. Nur wenn man die jeweiligen Biotope kenne und ihre Veränderungen dokumentiere, könne man wertvolle Flächen schützen.

Nicht jede Wiese wirft gutes Tierfutter ab

Typisch für den Kreis seien die europaweit bedeutsamen Wacholderheiden, Streuobstwiesen und Heckenlandschaften, allesamt vom Mensch mitgestaltete Kulturlandschaften. Egal, ob die Biologen bei ihrer Arbeit eine Berg-Mähwiese oder eine magere Flachland-Mähwiese anhand der vorkommenden Pflanzen erkennen würden: Diese landschaftlichen Besonderheiten seien nur im Zusammenspiel mit den Landwirten und Schäfern zu erhalten, behauptete Ulrich Lang, der Geschäftsführer des Vereins Landschaftserhaltungsverband Landkreis Göppingen. „Da steckt viel Arbeit drin“, kommentierte Lang beispielsweise die erforderliche Pflege für die Bergwiese, auf der der Kartierungsauftakt stattfand. Weil zwischen all den Gräsern und Wiesenkräutern auffällig viele Blätter der giftigen Herbstzeitlosen wuchern, sei der Grünschnitt nur bedingt als Tierfutter zu nutzen. Wolle der Landwirt dieses Pflanzenvorkommen minimieren, müsse er viele zusätzliche Arbeitsgänge einplanen.

Staatssekretär Baumann und der Bad Überkinger Bürgermeister Matthias Heim appellierten an die Biologen, auf die Landwirte zuzugehen und sie über ihre Arbeit zu informieren. Auch mit Transparenz könne man die Betroffenen für die Erhaltung der vielfältigen Landschaft motivieren.

Die Bürger können sich vor Ort informieren

Kampagne:
Seit einer Pilotstudie der Universität Freiburg im Jahr 1977 werden die Biotope in Baden-Württemberg regelmäßig erfasst. Die letzte Kampagne dauerte von 1992 bis 2004. Seit 2010 läuft nun eine neue, vierte Erfassung, bei der pro Jahr zwei bis drei Landkreise untersucht werden. In diesem Jahr sind das die Kreise Göppingen und Breisgau-Hochschwarzwald.

Gesetzeslage
: Eine regelmäßige Aktualisierung der Biotopkartierung verlangt das Naturschutzgesetz des Landes. Außerdem fordert die Europäische Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen, die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH), alle sechs Jahre regelmäßige Berichte der Mitgliedsländer. Auch Baden-Württemberg ist verpflichtet, einen günstigen Erhaltungszustand seiner europaweit bedeutenden Arten und Lebensräume zu bewahren und wiederherzustellen. Gleichzeitig werden auch die FFH-Lebensraumtypen kartiert.

Mähwiesen
: So genannte FFH-Mähwiesen, artenreiche, meist blumenbunte und extensiv bewirtschaftete Wiesen, sind zwar keine gesetzlich geschützten Biotope, sie werden aber durch die FFH-Richtlinien geschützt.

Begehung
: Bei diesen Terminen können sich Bürger im Gelände über die Kartierung informieren: Dienstag, 2. Mai, um 9.30 Uhr am ersten Wanderparkplatz nach der B 10 links an der Kreisstraße 1426 von Süßen in Richtung Schlat und um 14 Uhr am Wanderparkplatz an der Landesstraße 1213 zwischen Gruibingen und Weilheim, Abzweig Bad Boll.

Verein:
32 Kommunen und sieben Verbände im Landschaftserhaltungsverband Göppingen schützen die hiesige biologische Vielfalt.

www.lubw.baden-wuerttemberg.de