Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am Flughafen mit Brot und Salz begrüßt, Foto: dpa

Auf ihrer ersten Auslandsreise nach dem angekündigten Rückzug vom CDU-Vorsitz erfährt die Kanzlerin in Kiew großen Rückhalt. Präsident Petro Poroschenko weiß: Angela Merkel hat viel für die Ukraine getan. Vollenden kann sie das Friedenswerk vermutlich nicht mehr.

Kiew - Es ist ein trüber Tag in Kiew, dafür strahlt der Marienpalast in all seiner barocken Pracht. Der Amtssitz von Präsident Petro Poroschenko hoch über dem Fluss Dnjepr ist die erste Station von Angela Merkels eintägigem Besuch in der Ukraine. „Witaju wojiniw“, ruft die Kanzlerin, als sie mit militärischen Ehren empfangen wird, „Ich grüße die Soldaten“. Die erwidern den Gruß, dann schreiten Merkel und Poroschenko weiter, über die Architektur schwärmend – und gelöst plaudernd. Wie schon im Regierungsflieger kein Trübsal geblasen, sondern eine gut gelaunte Kanzlerin transportiert wurde.

Es ist die erste Auslandsreise Merkels, nachdem sie ihren Rückzug vom Parteivorsitz verkündet hat. Natürlich wird darüber geredet, welche Macht sie auf der Schlussetappe der Kanzlerschaft noch ausüben kann, obwohl diese doch schon zuhause beschnitten ist. Die Kanzlerin lässt das nach außen hin alles an sich abprallen. „Ich glaube, dass sich an der Verhandlungsposition in internationalen Verhandlungen nichts verändert“, hat sie dieser Tage Journalisten in Berlin erzählt: „Man kann sogar sagen: Ich habe mehr Zeit, mich auf die Aufgaben als Regierungschefin zu konzentrieren.“

Merkel will lieber Normalität demonstrieren

In Kiew äußert sie sich nicht zu ihrer Kanzlerschaft, „zu meiner Perspektive“ habe sie sich schließlich gerade erst geäußert. Angela Merkel will lieber Normalität demonstrieren und den vielen Analytikern nicht noch Futter geben, die das Ende ihrer Kanzlerschaft weit vor dem der Legislaturperiode 2021 sehen. Und die Ukraine ist ein gutes Terrain dafür – ihr Einfluss auf das politische Geschehen außerhalb der EU ist nirgends größer gewesen.

Staatschef Poroschenko, der bei den Ende März anstehenden Präsidentschaftswahlen selbst um die Macht bangen muss, macht kein Hehl aus seiner Bewunderung. Er wünscht seinem Gast „noch lange Jahre als führende Politikerin in Deutschland und Europa“. Die Kanzlerin hatte nach Russlands Annexion der Krim und dem von Moskau unterstützten Separatistenaufstand in der Ostukraine im Frühjahr 2014 ihr gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um den kriegerischen Konflikt direkt vor der Haustür der Europäischen Union zu entschärfen. In zahllosen Gesprächen mit Poroschenko, Russlands Wladimir Putin sowie den Franzosen Francois Hollande und Emmanuel Macron hat Merkel „millimeterweise“ um Fortschritte gerungen, stets Rückschläge hinnehmen müssen und weitere Anläufe unternommen. „Ich weiß“, berichtet Poroschenko, „dass die Ukraine ein der Bundeskanzlerin sehr nahestehendes Land ist.“

Ernüchterung beim Blick in die Ostukraine

Kaum jemand auf internationalem Parkett weiß mehr über die Verästelungen dieses Konflikts als Merkel. Als sie am frühen Abend etwa die Dezentralisierungsstrategie erklärt bekommt, ist ihr diese nicht neu – weil der Föderalismus in Deutschland Pate steht. „Ernüchternd“ findet es Merkel, dass die von ihr mit ausgehandelte Minsker Vereinbarung bisher nicht trägt, es bis heute „keinen stabilen Waffenstillstand“ gibt, mithin schon der allererste Schritt auf dem Weg zum Frieden nicht gemacht wird. Merkel unterstützt daher eine Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland. Sie weiß aber auch, dass zumindest eine fragile Balance existiert und die Lage ohne das Gerüst eines Abkommens noch viel schlimmer sein könnte. Aktuell geht es darum, ob eine UN-Blauhelmtruppe stationiert werden soll, um die Konfliktparteien zu trennen – umstritten ist, ob sie im gesamten Gebiet der Ukraine werden darf, und wer sie stellt. Putin kann sich Amerikaner und Briten an seiner Grenze jedenfalls nicht vorstellen. „Sehr, sehr kritisch“ sieht Merkel die für Dezember geplanten Wahlen in der Ostukraine, die die Spaltung zementieren.

Nüchtern trägt die Kanzlerin in Kiew aber auch vor, was sie von der Ukraine erwartet – etwa eine bessere Behandlung der Menschen in den abtrünnigen Gebieten, mehr Strukturreformen, damit es wirtschaftlich voran geht. Ihre Delegation hat dafür weitere finanzielle Hilfszusagen im Gepäck. Und Angela Merkel gibt in Kiew ein weiteres Versprechen ab, vom dem nicht wirklich klar ist, ob sie selbst es noch einlösen kann: „Deutschland wird auch weiter an der Seite der Ukraine stehen.“