Anna Bröll hat schon als Studentin als Kanuguide gejobbt. 2017 hat sie den Kanu-Veranstalter Zugvögel übernommen. Foto: factum/Weise

Kanufahren auf dem Fluss ist ein klein bisschen wie Meditation. Anna Bröll hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Sie hat kürzlich den Kanu-Veranstalter Zugvögel in Walheim übernommen.

Bietigheim - Malerisch spiegelt sich das imposante Bahnviadukt in Bietigheim (Kreis Ludwigsburg) auf der Enz . Eben ist eine Jugendgruppe zurück gekommen von einem Ausflug auf dem Wasser. Die Mädchen und Buben einer christlichen Gruppe aus Stuttgart helfen, die Kanus aus dem Fluss zu ziehen.

Gut zwei Stunden lang seien sie auf der Enz unterwegs gewesen, erzählt einer der Betreuer. Ist jemand ins Wasser gefallen? Ja, antwortet der junge Mann und grinst breit, „aber mit Absicht“. Die Luft hat an diesem tollen Sommertag fast 30 Grad, die Enz geschätzt etwa 25. David ist einer der Buben des Paddelausflugs, und er ist ganz begeistert: „Ich will unbedingt wieder kommen zum Kanufahren mit den Zugvögeln auf der Enz.“

„Beim Kanufahren sind alle per du.“

Anna Bröll ist auch vor Ort in Bietigheim, sie hört das Lob des Kindes gerne. Klar, Anna ist ja die Inhaberin und Geschäftsführerin der Zugvögel. Beim Kanufahren, sagt die 32-jährige Geschäftsfrau mit dem Faible für Wasser, „sind alle per du“. Gleich beginnt – ebenfalls unmittelbar neben dem Bietigheimer Bad am Viadukt – die nächste Tour, diesmal eine mit paar Erwachsenen. Zunächst eine kurze theoretische Einfügung in die Technik: Alles ganz einfach, sagt Anna sinngemäß. Kanufahren könne jeder, jedenfalls auf der gemächlich dahinfließenden Enz sowie auf dem Neckar und der Rems. Die Zugvögel betreiben mehrere Basisstationen mit zusammen rund 160 Booten. Die Teilnehmer der Ausflüge lernen, wie man einsteigt in das Kanu, wie man das Paddel hält, wie man flott voran kommt und wie man – im Fall der Fälle – wieder zurück kommt aus dem Fluss ins Boot. https://youtu.be/u3dvc635gTI

Und dann sitzen wir im Kanadier, zu viert. Jeder trägt eine Schwimmweste. Das, sagt Anna, sei Vorschrift. Zwei paddeln auf der rechten Seite, zwei auf der linken. Die Wertsachen sind in einem wasserfesten Sack verstaut. Sicher ist sicher. Ein sagenhafter Entschleunigungsausflug mitten in der Region Stuttgart beginnt. Kanufahren, das ist ein klein wenig wie meditieren. Im Nu hat die Gruppe das Bietigheimer Viadukt hinter sich gelassen, gleitet nahezu geräuschlos flussaufwärts in Richtung Rommelmühle in Bissingen. Vogelgezwitscher statt Autolärm. Grüne Büsche und Bäume statt grauen Betons. Die Tour ist eine Art Ultrakurzurlaub, ein Aus vom hektischen Alltag.

Sieben fest angestellte Mitarbeiter, ein paar Dutzend freie

Anna erzählt, wie sie zu diesem tollen Beruf gekommen ist. Schon als Gymnasiastin in Northeim bei Göttingen sei sie eine begeisterte Kanutin gewesen. Mit der Schule war sie immer wieder auch auf wilden Gewässern unterwegs, etwa in Österreich. Während des Studiums hat sie ein bisschen Geld verdient als Kanuguide, zunächst in Paderborn (International Business), dann in Heilbronn (Tourismus). Aus dem Ferienjob bei den Zugvögeln in Walheim wurde zunächst der Posten der Geschäftsführerin. Als der Inhaber das Unternehmen dann verkaufen wollte, hat Anna Bröll kurz überlegt – und dann, Ende 2017, zugeschlagen, den Laden gekauft. Sie beschäftige sieben fest angestellte Mitarbeiter sowie ein paar Dutzend freie.

Unser Kanu gleitet vorbei an einem Ast, auf dem sich eine Wasserschildkröte sonnt. Nach etwa einer Stunde eine kurze Pause, mitten auf den Enz. Mit Kinder- und Jugendgruppen veranstalten die Mitarbeiter oft Spiele auf dem Wasser, Kanupolo zum Beispiel: die Akteure versuchen einen Ball mit der Hand oder dem Paddel in ein Tor zu bringen. Wer mag, der kann auch kombinierte Ausflüge buchen, etwa die Kanu-und-Wein-Tour auf einem schönen Abschnitt des Neckars: von Walheim durch die Weinberge bis zu den Hessigheimer Felsengärten. Dort beginnt dann eine Wanderung inklusive Weinprobe und Vesper.

Die kleine Ausflugsgruppe auf der Enz indes kommt nach zwei Stunden zurück zum Start. Die schwitzenden Paddler genehmigen sich aber keinen Wein, sondern viel kühles Mineralwasser.