Kleiner Pieks, große Wirkung: Kleinkind bei der Masern-Impfung. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Weil Aufklärung allein nicht reicht, ist die vom Bundestag beschlossene Impfpflicht gerechtfertigt, kommentiert Willi Reiners.

Stuttgart - Die Masern-Impfpflicht, die der Bundestag am Donnerstag beschlossen hat, ist nicht vom Himmel gefallen. Sie steht am Ende jahrelanger und leider vergeblicher Versuche, die Impfquoten auf sanfteren Wegen zu erhöhen. Ihre Gegner wird das vermutlich nicht besänftigen. Sie sollten dennoch zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland trotz aller Aufklärung und Überzeugungsarbeit neben Ländern wie Bosnien-Herzegowina und Rumänien weiter Europas Seuchenschleuder Nummer eins ist.

Natürlich, die Impfung greift in die körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung der Menschen ein. Sie ist zudem nicht ohne Risiko, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, einen Impfschaden zu erleiden, verschwindend gering ist. Aber der Staat hat eben auch eine Verantwortung für die Gesundheit der Bürger. Sie greift insbesondere für Menschen, die sich selbst nicht schützen können, Säuglinge zum Beispiel und geschwächte Patienten. Der Staat kann nicht zusehen, wie diese Personengruppen immer wieder dem Risiko ausgesetzt werden, einer der potenziell tödlichen Masern-Komplikationen zum Opfer zu fallen.

Angesichts dessen erscheint die begrenzte Impfpflicht, die ja nur für Kinder und Beschäftigte in Gemeinschaftseinrichtungen gilt, gerechtfertigt. Sie ist zudem nicht unverhältnismäßig. Eltern, die ihr Kind nicht immunisieren lassen wollen, drohen zwar empfindliche Sanktionen. Ohnmächtig sind sie aber nicht. Sie können ihr Kind aus der Betreuung nehmen. Das ist dann der nicht zu hohe Preis dafür, sich der Verantwortung zu entziehen, die auch jeder Einzelne für das Wohlsein der anderen hat.

willi.reiners@stzn.de