Obwohl der Anteil der unbesetzten Lehrstellen in Küchen, Restaurants und Hotels zurückgeht, ist die Gastronomie nach wie vor die Branche mit den meisten offenen Ausbildungsplätzen. Foto: dpa

Für Unternehmen in Deutschland wird es laut einer Umfrage des Industrie- und Handelskammertags immer schwieriger, offene Ausbildungsstellen zu besetzen. In mehr als jedem dritten Betrieb bleiben Lehrstellen unbesetzt – viele Firmen bekommen gar keine Bewerbungen mehr.

Stuttgart - In jedem dritten Unternehmen in Baden-Württemberg bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) in 1700 Ausbildungsbetrieben im Land. „Damit verändert sich der Ausbildungsmarkt weiter zuungunsten der Betriebe und erreicht den schlechtesten Wert seit Beginn der IHK-Ausbildungsumfragen 2009“, teilte der BWIHK am Mittwoch mit.

Bei der Azubisuche tun sich nach wie vor die Gastronomiebetriebe am schwersten, obwohl sich ihre Situation im Vergleich zum Vorjahr verbessert hat: So konnten unter den befragten Betrieben aus dieser Branche rund 60 Prozent ihre Ausbildungsplätze aktuell noch nicht besetzen (Vorjahr: 72 Prozent). Ähnlich schwer tun sich Verkehrsbetriebe mit 47 Prozent offenen Lehrstellen (Vorjahr: 41 Prozent) sowie die Baubranche, die unverändert bei 40 Prozent liegt. „Für die Betriebe wird es zur immer größeren Herausforderung, ihren Fachkräftebedarf über die Ausbildung von eigenem Nachwuchs zu sichern“, sagte Johannes Schmalzl, Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart. „Viele Unternehmen bekommen überhaupt keine Bewerbungen mehr auf ihre ausgeschriebenen Ausbildungsplätze und immer mehr bekommen keine geeigneten.“ Demnach haben rund hundert Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, gar keine Bewerbung mehr erhalten.

Immer mehr Betriebe bilden Flüchtlinge aus

Als erfreulich beurteilen die Kammerorganisationen dagegen, dass „immer mehr Flüchtlinge in den Fokus der Ausbildungsbetriebe rücken“. Rund ein Viertel der befragten Unternehmen gab an, Flüchtlinge zu integrieren (Vorjahr: 20 Prozent). Der Anteil derer, die bereits Menschen mit Fluchthintergrund ausbilden, stieg von neun Prozent im Jahr 2017 auf 16 Prozent. Weitere 16 Prozent der Befragten planen, in den kommenden zwei Jahren Flüchtlinge in die Ausbildung aufzunehmen. „Unsere Unternehmen tun ihr Möglichstes, um Geflüchteten eine berufliche Perspektive zu bieten. Die Erfahrungen mit Geflüchteten in Ausbildung sind zum Teil hoffnungsvoll und ermutigend“, sagte Schmalzl. Das Problem des Fachkräftemangels werde sich darüber aber nicht lösen. „Dazu brauchen wir endlich eine vernünftige Zuwanderungspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Unternehmen und des Arbeitsmarktes orientiert“, so Schmalzl.

Im Angesicht von fehlenden einheimischen Bewerbern bilden auch Handwerksbetriebe verstärkt Flüchtlinge aus. Diese dürfen, auch ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, für die Dauer von mindestens drei Lehrjahren sowie im Falle einer Übernahme für weitere zwei Jahre im Rahmen der sogenannten 3+2-Regelung in Deutschland bleiben. Die Beschäftigung von sogenannten Geduldeten außerhalb einer Ausbildung in regulären Beschäftigungsverhältnissen ist allerdings weiterhin mit bürokratischen Hürden verbunden, die von Betrieben und Kammern kritisiert werden.

Unternehmen fordern ein Zuwanderungsgesetz

Die Handwerkskammer Ulm bekräftigte am Mittwoch den Wunsch nach einem Zuwanderungsgesetz: „Ausländische Fachkräfte sichern Wohlstand und Versorgung in Deutschland.“ Angesichts der Schwierigkeiten von Betrieben bei der Azubisuche sei es unverantwortlich, „einfach weiter abzuschieben“, appellierte die Kammer. „Die richtige Antwort auf den Bedarf ist vielmehr ein schnelles und aktuelles Zuwanderungsgesetz, das die Probleme des Handwerks berücksichtigt.“

Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Berlin, Eric Schweitzer, spricht von einer gefährlichen Entwicklung: „Deutschland gehen die Fachkräfte aus.“ Das habe ganz konkrete Konsequenzen: Zuerst blieben Aufträge länger liegen, später müssten Unternehmen ganz passen. Die Betriebsumfrage lieferte auf Bundesebene ganz ähnliche Ergebnisse wie im Südwesten. Schweitzer forderte eine höhere Wertschätzung der Berufsausbildung. Dazu sei etwa eine stärkere Berufsorientierung an den Gymnasien vonnöten. Nennenswerte Erfolge verzeichneten die Betriebe bereits bei der Rekrutierung von Studienabbrechern: Während 2008 noch 22 Prozent der Abbrecher eine duale Ausbildung begonnen hätten, seien es sechs Jahre später 43 Prozent gewesen.