Lokstoff gibt im Breuninger-Parkhaus das Stück „Vorher/Nachher – die Verwandlung der Welt“. Foto: Lokstoff

Durch eine Kooperation mit dem Theater Lokstoff startet das Kaufhaus wieder das für den Handel so wichtiges Eventprogramm. Start ist am Montag mit der „Verwandlung“ von Franz Kafka.

Stuttgart - Der erste Satz, der erste Blick ist entscheidend. Ob in der Kunst, der Liebe oder im Handel. Die daraus folgende Emotion ist oft eine Brücke für das Folgende. Nicht zuletzt lebt der Einzelhandel stark von Gefühlen, die einen Kaufimpuls auslösen. Beim Kaufhaus Breuninger gehört diese Erkenntnis schon lange zum Geschäftsprinzip. Wer den Bauch – sei es durch die Gastronomie oder Events anspricht – macht mehr Umsatz. Und weil Breuninger dieses Lebensgefühl aus Shopping, Event und Genuss in der Coronakrise nicht mehr bedienen konnte, „fehlt uns etwas Entscheidendes“, sagt Firmensprecher Christian Witt. Breuninger und Veranstaltungen müsse man immer zusammendenken.

Tatsächlich hat das Stuttgarter Haus vor der Pandemie etwa 150 Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Und nun wird diese Tradition fortgesetzt. Und dabei spielt wieder der erste Satz eine entscheidende Rolle: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“ Wer kennt ihn nicht. Es sind die ersten Worte aus Franz Kafkas Verwandlung. Eben jenen ersten Satz haben die „Initiative Deutsche Sprache“ und die „Stiftung Lesen“ vor Jahren zu einem der schönsten ersten Sätze in der Literatur gewählt. Mit diesem Satz also beginnt der Neuanfang der Breuninger-Comebacks in der Kultur.

Gemeinsam mit dem auf öffentlichen Raum spezialisierten Theater-Ensemble Lokstoff realisiert das Mode- und Lifestyle-Unternehmen in seinem Parkhaus ein kafkaeskes Auto-Theater. Ab dem 29. Juni können Zuschauer dort die Inszenierung „Vorher/Nachher – die Verwandlung der Welt“ in den eigenen Fahrzeugen erleben. „Dass dies überhaupt möglich wurde, ist Veronika Kienzle, den Bürgermeister Meyer und Fezer zu verdanken“, sagt Regisseur Wilhelm Schneck, „sie haben die Kräfte in der Stadt und der Verwaltung gebündelt.“

Das Leben in der Blase

Und damit alles der Coronaverordnung des Landes entspricht, sitzen die Zuschauer nicht nur abgedichtet in ihren Karossen, sondern sie sind auch auf besondere Weise von den Schauspielern getrennt. Denn die bewegen sich in aufblasbaren Laufbällen durch die Kafka-Adaption. „Der Ton kommt entweder über die UKW-Frequenz übers Autoradio oder per Kopfhörer“, erklärt Wilhelm Schneck, der mit seiner Truppe in der Sporthalle des Theaterhauses probt.

Die übergroßen Ballons, in denen die Mimen über den Kunstrasen rollen, werden dort mit Laubbläsern gefüllt. Auch so eine Sache, die dem ganzen Unternehmen gleichzeitig einen realen und skurrilen Anstrich gibt. Mit genau diesem Gefühl steigt die Schauspielerin Kathrin Hildebrand auch aus ihrem Ballon, den sie Blase nennt. „Denn irgendwie lebt doch derzeit jeder wie in einer Blase“, sagt sie, „wir brauchen sie, um zu überleben.“ Und damit sei die Geschichte von Kafkas Verwandlung ein universaler Gedanke: „Sind wir nicht auch eines Tages mitten in der Pandemie aufgewacht, und erlebten diese Welt als vollkommen anders?“ Sie hätte auch sagen können: Sind wir nicht alle ein bisschen Samsa? Nichts sei mehr so, wie es einmal war.

Und doch soll dieses Stück für Breuninger und die Gefühlswelt der Kunden die Pandemie überdauern: „Wir wollen, dass das Stück auch nach Corona Gültigkeit für unsere Zeit bewahrt“, sagt Schneck. Soll heißen: die Autos sollen später mal weg, aber die Blasen und die ersten Worte dieser Beziehung zwischen Handel und Kunst sollen bleiben.