Blick auf die neuen Hafthäuser in Stammheim Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Am Freitag hat die Justiz in Stammheim Richtfest gefeiert. 560 Gefangene sollen nächstes Jahr in neue Zellen ziehen. Parallel geht es gleich mit einem neuen Gerichtsgebäude weiter. Justizminister Stickelberger spricht von einem „Gefängnis, wie wir es uns wünschen“.

Stuttgart - Manchmal gerät auch ein Justizminister ins Schwärmen. Und das, obwohl Rainer Stickelberger (SPD) derzeit mit dem Thema Strafvollzug nur Scherereien hat. Erst lehnen die Bürger in Tuningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) den dort geplanten Neubau eines Großgefängnisses ab, dann kommt ein Insasse der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal ums Leben. Da darf es auch mal gute Nachrichten geben. „Ich freue mich sehr, dass Stadt und Bezirksbeirat hinter dieser Haftanstalt stehen. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man sieht, wie man anderswo um Verständnis kämpfen muss“, sagt Stickelberger am Freitag in Stammheim unter dem Applaus der Gäste, die zum Richtfest des Neubaus gekommen sind.

Ende nächsten Jahres sollen 560 Gefangene in die fünf neuen Hafthäuser einziehen können, die derzeit auf dem Gelände der JVA entstehen. 16 000 Kubikmeter Beton, 12 000 Quadratmeter Fertigfassade und ein Fünftel der Stahlmenge des Eiffelturms sind bereits in den vierstöckigen Flachdachgebäuden verbaut. Sie sollen künftig modernen Standards gerecht werden und sowohl den Insassen anständige Haftbedingungen gewähren als auch den Mitarbeitern gute Arbeitsbedingungen und den Bürgern bestmöglichen Schutz bieten. 52 Millionen Euro kostet das. „Wir liegen voll im Zeit- und Kostenrahmen“, freut sich Frank Berkenhoff, stellvertretender Leiter des Ludwigsburger Amts für Vermögen und Bau, das für die Bauarbeiten zuständig ist.

Die Zellentrakte sind nach dem Neubau der Torwache der zweite große Schritt in Stammheim in den vergangenen Jahren. Dabei wird es aber nicht bleiben. Wenn die Gefangenen umgezogen sind, steht das historische Hochhaus, das bundesweit durch die dort einstmals einsitzenden RAF-Mitglieder bekannt geworden ist, leer. Wann der Abriss folgt, ist noch offen, es ist aber geplant, dort danach ein Justizvollzugskrankenhaus zu bauen. Dann könnten zumindest Teile der bisherigen Klinik auf dem Hohenasperg nach Stammheim umziehen.

Konkret ist bereits eine weitere Baumaßnahme. „Im nächsten Jahr wird der Startschuss für ein neues Gerichtsgebäude auf dem Gelände fallen“, sagt eine Sprecherin des Justizministeriums. Die Kosten dafür sind inzwischen auf 28 Millionen Euro veranschlagt. Es soll neben dem bestehenden Mehrzweckgebäude am Rand des Geländes entstehen und unter anderem einen Tunnel zu den Zellentrakten bekommen. Der alte Bau war in den 70er-Jahren für die RAF-Prozesse eilends hochgezogen worden. Er wird bis heute für besonders brisante Verhandlungen mit hohen Sicherheitsvorkehrungen genutzt, ist aber baufällig. Wann er abgerissen wird, ist noch unklar.

Mit den zahlreichen Neuerungen ändert die Stammheimer JVA ihr Gesicht innerhalb weniger Jahre völlig. Den Justizminister freut das angesichts der vielen Probleme anderswo besonders: „Wir werden hier am Ende ein Gebäude haben, wie wir es uns für einen modernen Strafvollzug wünschen.“ Stuttgart baut den Super-Knast – und das unter laufendem Betrieb. Kritisch fügt Stickelberger an: „Ich würde mich freuen, wenn der Geist von Stammheim auch anderswo im Land herrschen würde.“

Hintergrund sind die enormen Probleme bei der Suche nach einem Gefängnis-Standort im Bereich Rottweil. Im Süden des Landes gibt es zahlreiche kleine und teure Gefängnisse. Ein Neubau für rund 500 Gefangene soll sie ersetzen. Die Gemeinden reißen sich um den Groß-Knast, weil er zusätzliches Geld und sichere Arbeitsplätze bedeutet. Die Bürger dagegen haben Angst davor. Im Sommer haben die Einwohner des kleines Ortes Tuningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) den fest geplanten Neubau auf ihrer Gemarkung mehrheitlich abgelehnt. Das Land musste deshalb einen neuerlichen Suchlauf starten und bereits verworfene Standorte nochmals prüfen.

Der Suchlauf dürfte bis zum Jahresende abgeschlossen sein. Das Finanzministerium hat bei vier Grundstücken in Weigheim (Villingen-Schwenningen), Rottweil und Meßstetten Boden- und Grundwasseruntersuchungen abgeschlossen. Sie würden derzeit ausgewertet, so ein Sprecher. „Wir rechnen in den nächsten Wochen mit den Ergebnissen und werden dann möglichst schnell eine Standortentscheidung treffen“, sagt Stickelberger. Man werde danach erneut „versuchen, die Bürgerschaft einzubeziehen“. Entscheidend sei aber das Votum des Gemeinderats. Eine weitere Pleite will sich das Land offenkundig ersparen.

In Stammheim dagegen muss nicht mit Widerständen gerechnet werden. Die Bürgervertreter feiern beim Richtfest fleißig mit. Es wird nicht das letzte gewesen sein in den nächsten Jahren.