Taktisches Verständnis, gutes Auge, viel Zug zum Tor: Der 20 Jahre alte Spielmacher Juri Knorr bringt alles mit, um sich auch international durchzusetzen. Foto: imago/Laci Perenyi

Auf der Suche nach dem nächsten deutschen Handball-Hero führt an Juri Knorr kein Weg vorbei. An diesem Donnerstag kreuzt sein Verein GWD Minden beim TVB Stuttgart auf – ohne den Spielmacher. Warum eigentlich?

Stuttgart - Ihren Ausnahmespieler haben sie bei GWD Minden derzeit hermetisch abgeschirmt. Auf Juri Knorr sei zuletzt viel eingeströmt. Deshalb möchte man ihm keine zusätzlichen Termine übertragen, lässt die Pressestelle des Handball-Bundesligisten aus Ostwestfalen verlauten. Dafür spricht vor dem Duell an diesem Donnerstag (19 Uhr/Porsche-Arena) beim TVB Stuttgart der Trainer: „Das können sie ruhig schreiben, Juri wird auch in Stuttgart sicher nicht spielen!“, sagt Frank Carstens (49) und schiebt den Grund gleich ungefragt hinterher: „Am Freitag hat er eine MRT-Untersuchung am Herzen. Und wir sind super vorsichtig und wollen alle Risiken ausschließen.“ Auch der positiv getestete TVB-Trainer Jürgen Schweikardt (40) wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht beim Spiel dabei sein – obwohl er keine Symptome mehr aufweist.

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Juri Knorr aber ist ein Beispiel dafür, wie sehr Corona auch einen jungen, durchtrainierten, topfitten Profi umhauen kann. Nach der Länderspielreise mit den EM-Qualifikationsspielen erfuhr der Jung-Nationalspieler am 11. November von der Infektion. Ein paar Tage ging es ihm überhaupt nicht gut: Starke Hals- und Kopfschmerzen, Stechen in der Brust und Fieberträume plagten ihn. Inzwischen ist er wieder auf dem Damm, die Quarantänezeit lief am 24. November ab.

Trainer sieht Fürsorgepflicht

Knorr macht Krafttraining, wirft Bälle gegen die Wand – und will am liebsten wieder in der Bundesliga ran. Doch der Trainer lässt ihn nicht. „Juri ist enorm ehrgeizig. Ich muss ihn bremsen“, sagt Carstens und verweist auf seine Fürsorgepflicht. „Wir im Verein spüren eine große Verantwortung, zumal sich gerade bei Sportlern die Folgen einer Erkrankungen mittel- und langfristig auswirken können.“ Um mögliche bleibende Schäden auszuschließen, wird Knorrs Körper im Herzzentrum in Bad Oeynhausen komplett durchgecheckt.

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Am Donnerstag in Stuttgart wird der Tabellen-17. GWD Minden (mit den beiden 40-jährigen Carsten Lichtlein und Christian Zeitz) im Kampf gegen den Abstieg zum dritten Mal hintereinander auf die wertvollen Dienste von Knorr verzichten. Trotz seiner erst 20 Jahre ist es nicht übertrieben, festzustellen: Ohne den Rechtshänder fehlt GWD das Herz und die Seele seines Angriffsspiels. Denn der erste Nationalspieler, der im neuen Jahrtausend geboren wurde, bringt hohes taktisches Verständnis mit, ein gutes Auge für die Mitspieler, viel Zug zum Tor und einen knallharten Schlagwurf. „Juri ist ein absolutes Ausnahmetalent, denn er hat Eigenschaften, die man nur bedingt trainieren kann“, sagt Junioren-Bundestrainer Martin Heuberger.

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Um ein Haar wäre der Sohn des ehemaligen Handball-Nationalspielers Thomas Knorr (83 Länderspiele) beim Fußball geblieben. Bis zum Alter von 16 Jahren machte er beide Sportarten parallel, spielte sehr ambitioniert in der Jugend des VfB Lübeck und hatte auch ein Angebot vom Hamburger SV fürs Internat. Sein Bauchgefühl entschied sich für Handball. Dort ging’s schnell voran. Statt ins Nachwuchsleistungszentrum des HSV machte er sich mit 17 Jahren auf in die Handball-Akademie La Masia des ruhmreichen FC Barcelona.

Erfahrungen in Barcelona

Für den jungen Norddeutschen eine enorm wertvolle Erfahrung. Raus aus der Komfortzone zu kommen, andere Kulturen und andere Menschen kennenzulernen, das ließ ihn menschlich reifen und erwachsen werden, hat er in Interviews immer wieder betont. Sogar zu einigen Kurzeinsätzen in der ersten Mannschaft des spanischen Topclubs an der Seite von Stars wie Raul Entrerrios, Aron Palmarsson oder Victor Tomas reichte es. Zu mehr aber nicht, und deswegen entschied sich Knorr vor der Saison 2019/20 für die Rückkehr nach Deutschland. Mehrere Angebote aus der Bundesliga lagen vor, den Zuschlag bekam GWD Minden.

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Als Zwischenfazit lässt sich feststellen: Es war keine schlechte Entscheidung. Und das nicht nur wegen der Fürsorge und dem Verantwortungsbewusstsein seines Trainers.

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