Der Marder Kevin (Alexander Redwitz) schlüpft in die Rolle eines Menschen, der die Tiere aus dem Dorf vertreiben will. Foto: Tom Pingel

Das Jes zeigt eine der letzten Vorstellungen des fantasievollen Stücks „Törtel“.

S-Mitte - Noch bevor alle Zuschauer ihre Plätze eingenommen haben, wird es laut auf der Bühne. Zwei Schauspieler in übergroßem beigefarbenem Parka schlagen rhythmisch auf Gegenstände. Der Mann auf ein altes verrostetes Schlagzeug, die Frau auf alles, was sie finden kann.

Es ist eine der letzten Vorstellungen des Stücks „Törtel“ im Jes, dem Jungen Ensemble Stuttgart. Das Bühnenbild ist ein großes Durcheinander, ein Schrotthaufen aus ausrangierten Autoteilen, Reifen und Autositzen, aus Tonnen und alten Kinderwagen. Die beiden Personen auf der Bühne sind die Schauspieler Sarah Kempin und Alexander Redwitz. Sie stellen die Marder Kevin und Wendy dar, die sich auf dem Schrottplatz durchs Leben schlagen. „Wir sind Marder, wir sind Raubtiere“, rappen die beiden und: „Ob Mercedes oder Ford – wir begehen Automord!“

„Schildkröten kommen aus Griechenland “

Der Humor zieht sich durch die gesamte Geschichte. Er entsteht vor allem dadurch, dass die Schauspieler – neben Kempin und Redwitz steht Werner Koller in grünen Cord-Knickerbockern als Keiler Grrmpf auf der Bühne – die Geschichte um die Schildkröte Törtel nacherzählen und dafür in verschiedene Rollen schlüpfen.

So ist Wendy nicht nur ein Marderweibchen, sondern abwechselnd mit Kevin auch die Schildkröte Törtel, immer dann, wenn sie die Kapuze überzieht. Sie ist aber auch eine Katze, die mit charmantem französischem Akzent ihr Köpfchen durchzusetzen weiß. Genauso Kevin, der als Dachs eine Art Kauderwelsch im Stile Udo Lindenbergs daher nuschelt.

Alle Tiere treffen sich eines Abends zu einer Versammlung. Der Vorsitzende des Kriegsrats der Tiere ist Horst oder vielmehr „Horschd“, der schwer schwäbelnd und auf die Tagesordnung verweisend durch die Sitzung führt oder eben dieses wenigstens versucht. Der Grund für die Zusammenkunft der tierischen Bewohner ist eine Einbruchsserie in Müggeldorf. Die Menschen machen die Tiere verantwortlich und möchten deshalb am liebsten gleich alle aus ihrem Dorf vertreiben. Um das Gegenteil zu beweisen, beschließt der tierische Kriegsrat selbst auf Verbrecherjagd zu gehen. Wichtig für das Gelingen des Vorhabens ist die kleine Schildkröte Törtel, die sich eigentlich in ihre Geburtsstätte, dem Gartencenter McGrün, zurück sehnt, zum Surren der Klimaanlage und dem schützenden Schein des Neonlichts. Obwohl „Schildkröten aus Griechenland kommen“, wie Wendy sagt.

Die kleinen Zuschauer lauschen gebannt

Das Stück ist eine Adaption des Kinderbuchs „Törtel, die Schildkröte aus dem McGrün“ vom Autor und Journalisten Wieland Freund. Auf die Bühne gebracht hat es Gerd Ritter, der seit 2004 Schauspieler am Jes ist, ab und zu aber Stücke inszeniert und selbst entwickelt.

Obwohl die Tiere im Stück nicht durch Kostüme, sondern allein durch einen Wechsel von Mimik, Gestik und Sprache zum Leben erweckt werden, entfaltet die Geschichte ihre Wirkung und die kleinen Zuschauer lauschen gebannt. Auch wird nicht nur eine unterhaltsame Geschichte von Freundschaft erzählt, sondern auch Fragen aufgeworfen. Etwa solche nach Fremde und Heimat, wenn die Marder aufzählen, in welchen Ländern die Tiere eigentlich Zuhause sind. Am Ende, als das Leben im Dorf wieder seinen gewohnten Gang nimmt, der Herbst anbricht und die Nächte kälter werden ist Törtel plötzlich verschwunden. „Vielleicht ist er in Griechenland“, sagt Marder Wendy.