Die Faszination für Musikinstrumente ist ungebrochen. Foto: Georg Linsenmann

Kinder lernen heute nicht mehr so ohne weiteres klassische Musik kennen. Der Zirkus Luftibus der Jungen Oper Stuttgart will beim Nachwuchs die Begeisterung für die Musik alter Meister wecken – schön, schräg, und mit Erfolg.

S-Mitte - Die Aufregung beginnt schon ganz unten, denn für die Kleinen geht es hoch hinauf, bis ins dritte Rangfoyer. Da steigt die Spannung im Hand in Hand gehenden Pulk mit jeder frisch genommenen Ecke des Treppenschachtes. Bis zu jener einzigartigen, aus verdichteter kindlicher Neugierde geborenen, Bienenhaus-gleichen Energie kurz vor Beginn des eigentlichen Ereignisses.

Dem Auftakt wird dieses Mal wie nebenbei eine Form, ein Fassung gegeben, denn für das „Zirkus Luftibus“-Programm dürfen die Kinder vorneweg farbige Dreiecke bemalen. Wobei das junge Publikum schon einmal die Fantasie lockern und Richtung Zirkus schweifen lassen kann. Wiederum, nebenbei schaffen die Kleinen so ein Stück der Ausstattung. Denn die Malerei ergibt eine Hundertschaft bunter Wimpel, die von links und rechts, wie gespannte Wäscheleinen, Zuschauerraum und Bühne miteinander verknüpfen. Das ist natürlich Programm in diesem vielfältig interaktiven, von Barbara Tacchini mit leichter Hand, duftig und wohldosiert, szenisch aufbereiteten Kinderkonzert.

Die Artisten fehlen, die Lösung ist ein Fantasie-Zirkus

„Manage frei!“ also – wäre da nicht ein größeres Malheur: Die Artisten sind weg, samt Tieren und allem Pipapo! Nur eine Handvoll verschlafener Musiker hatte das nicht bemerkt. Das Publikum aber wartet leicht ungeduldig auf den Beginn der Vorstellung – und nun sollen die Musikanten ganz alleine, na ja, den ganzen Zirkus machen. Die rettende Idee: ein Fantasie-Zirkus! „Wollt Ihr das?“ fragt der Tubist die Kinderschar, worauf ihm ein lärmendes „Ja!“ entgegen schallt.

Ein erzählerischer Rahmen, der sich mit Zirkus-Musik des Brass-Pioniers Jan Koetsier prächtig füllen lässt – von dessen Kleinem Zirkusmarsch bis zum Großen Finale. Herrliche Miniaturen wunderbar abwechslungsreicher, farbiger Programm-Musik, in die sich die fünf Blechbläser des Staatsorchesters mit spürbarer Lust stürzen. Das Unterhaltsame und der Übermut sind hier auf subtile Weise gepaart mit musikalischen Feinheiten. Pures melodisches Singen und Schönklang passen locker zu schrägen, in Witz verpackte Passagen, lässiger Geradeaus-Marsch und lustiger Tanz zu vertrackter Rhythmik. Gar nicht selten ist das ziemlich virtuos!

Die jungen Fans gehen begeistert mit

Eigentlich ganz schön schwierige Kammermusik, bei der die Musiker hellwach agieren müssen und von deren Kunstcharakter die Kinder wiederum nur ganz nebenbei, ganz spielerisch, etwas mitbekommen. Aber es ist absolut spannend und packend, wie das Quintett die musikalischen Clownerien und Jonglagen, die Pferde- und die Mäuse-Nummern ins Werk setzt – immer im sehr direkten Kontakt mit den kleinen, gebannt lauschenden und begeistert mitgehenden jungen Fans, zwischen fünf und sieben Jahre alt.

Manchmal dürfen diese Fans direkt mitmischen. In die Gartenschlauch-Trompete blasen oder mit „Hokus, pokus, Luftibus!“-Rufen die Töne verzaubern, wobei sie den Musik-Artisten auch genau auf die Finger schauen. „Du hast getrickst!“ tönt es da ganz schnell, bevor die musikalische Zirkus-Reise in einem jubelnden Finale endet.

Danach darf die Schar noch hinter die Kulissen schauen – und sich sogar reihum an den verschiedenen Instrumenten erproben. Als eine Mutter ihren Filius an der Trompete erlebt, meint sie: „Ich glaube, ich muss ihn doch zum Musik-Unterricht anmelden.“ Annegret Wehlan, Klassenlehrerin der 1b aus der Mörike-Schule in Leonberg, weiß, weshalb sie diese Sitzkissenkonzerte „schon lange regelmäßig bucht“: „Das ist ein fantastischer Einstieg in klassische Musik. Das macht Spaß, weckt die Fantasie und ist richtig wertvoll.“