Julia Görges spielt in New York bei den US Open stark wie lange nicht mehr. Foto: AP

Julia Görges steht als einzige deutsche Tennisspielerin im Achtelfinale der US Open. Woher kommt die zurückgewonnene Stärke der 30-jährigen Fed-Cup-Spielerin?

New York - Fast schon ein wenig ungläubig grinst Julia Görges im Anschluss an ihren Drittrundenerfolg bei den US Open in ihre Box. Soeben hatte die 30-Jährige in Kiki Bertens die Nummer sieben der Welt überraschend deutlich mit 6:2, 6:3 nach Hause geschickt und damit das erste Grand-Slam-Achtelfinale in dieser Saison erreicht. „Ich bewundere diese Stehaufmännchen-Generation“, sagt Barbara Rittner, langjährige Förderin von Görges und mittlerweile Frauentennis-Chefin beim Deutschen Tennis-Bund.

Nur Petkovic und Görges überzeugen

In dieses Lob schließt sie neben Görges auch Andrea Petkovic (31), Angelique Kerber (31) und Sabine Lisicki (29) mit ein – also jene Generation, die dem deutschen Tennis in den vergangenen zehn Jahren mal größere und kleinere Erfolge beschert hatte, die aber auch immer wieder an sich, der Erwartungshaltung und körperlichen Problemen scheiterte. In New York konnte neben Görges lediglich Petkovic überzeugen – Kerber scheiterte bereits in Runde eins, und Lisicki kämpft als Nummer 281 der Welt um den Anschluss an die Weltspitze. Alle vier Spielerinnen stemmen sich im Herbst ihrer Karriere gegen das Abrutschen in die sportliche Bedeutungslosigkeit. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. „Ich habe selber mit 31 Jahren aufgehört, Profitennis zu spielen, und weiß, wie schwer das ist“, sagt Rittner.

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Dass sich dieser Kampf lohnt, unterstrich Görges in New York, wo sie als einzige deutsche Spielerin die dritte Runde überstehen konnte. Erstrundenaus bei den Australian Open, Erstrundenaus in Paris, dritte Runde in Wimbledon – die Grand Slams liefen in diesem Jahr nicht wirklich rund für die siebenmalige Turniersiegerin aus Niedersachsen. „Ich war in der ersten Runde schon fast draußen“, sagt Görges und spielt damit auf ihren Sieg an, als sie gegen Natalia Wichljanzewa einen Matchball abwehren musste. Daher seien alle weiteren Matches für sie ein „Bonus“.

Gelassenheit als Schlüssel

Genau jene Gelassenheit ist es, die ihr zum Sieg gegen die hoch eingeschätzte Bertens verhalf und mit der sie an diesem Montag versucht, gegen Donna Vekic das erste US-Open-Viertelfinale ihrer Karriere zu erreichen. „Ich fühle nicht unbedingt Druck“, sagt Görges. Die Vorzeichen stehen gut für die Fedcup-Spielerin, die mittlerweile ihren Lebensmittelpunkt aus Niedersachsen nach Regensburg verlegt hat. Alle drei bisherigen Duelle mit der kroatischen Nummer 23 der Welt gewann Görges. Im Ranking steht Vekic zwar sieben Positionen vor Görges – insbesondere der wiedererstarkte Aufschlag der Deutschen lässt sie zum Beginn der zweiten Turnierwoche allerdings als Favoritin erscheinen.

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Wenn sie auch diese Rolle von sich weist, gibt die Wahl-Regensburgerin zu: „Die Gleichung ist einfach: Starker Aufschlag bedeutet mehr Selbstvertrauen“, sagt Görges, „da gehst du gleich mit einem ganz anderen Gefühl auf den Court.“ Gegen Bertens gelangen ihr fünf Asse, insgesamt liegt sie mit 16 Assen in der US-Open-Statistik aber auf Rang sieben. „Sie hat für ihre Verhältnisse viele einfache Fehler gemacht“, sagt Görges nach dem Sieg über die Niederländerin, will sich selbst aber auch nicht kleiner machen, als sie ist. „Ich denke, ich habe sie auch gut unter Druck gesetzt.“

Nur ein Sieg seit Wimbledon

Ihr Aufschwung in New York kommt umso überraschender, weil Görges seit ihrer Drittrundenniederlage in Wimbledon lediglich ein Match gegen die Qualifikantin Polona Hercog gewonnen hatte. In der unmittelbaren US-Open-Vorbereitung setzte es in Cincinnati eine Erstrundenniederlage, nach dem Sieg über Hercog war auch in Toronto in der zweiten Runde Schluss. „Wenn sie den Ball trifft, kann sie mit den ganz Großen mithalten“, sagt Rittner über Görges. Was banal klingt, ist bei der 30-Jährigen der alles entscheidende Punkt. Vorhand und Aufschlag sind an guten Tage eine Waffe – an einem schlechten Tag schießt sie sich damit aber auch regelmäßig selbst aus den Turnieren.

„Ich bin einfach stolz, in der vierten Runde zu stehen“, sagt Görges. Klingt tatsächlich danach, als hätte sie den Druck abgelegt. Als Stehaufmännchen hat sie längst gelernt, auch in guten Phasen den Ball flach zu halten. Eine gute Voraussetzung, dem Druck in New York an diesem Montag ein weiteres Mal standzuhalten.