Minh Thi Huynh ist 17 Jahre alt. Seit 2018 sitzt sie im Bezirk Möhringen im Jugendrat. Bei der kommenden Wahl will sie wieder kandidieren. Foto: dpa/Tom Weller

Als Jugendlicher Politik machen – Gremien wie der Stuttgarter Jugendrat machen es möglich. Die nächsten Wahlen finden im Januar statt. Wie Jugendliche jetzt noch kandidieren können.

Stuttgart - Statt freitags vor dem Rathaus zu demonstrieren, sitzt die 17-jährige Minh Thi Huynh lieber im Rathaus und redet dort mit den Politikern auf Augenhöhe. Das kann Huynh, weil sie Mitglied im Jugendrat Stuttgart ist. „Alles, was man umsetzen will, kann man auch machen“, sagt Huynh. Geld und Kontakte seien da, man sei direkt am Geschehen und könne „was verändern“. Gründe genug für Huynh, die seit 2018 im Jugendrat im Bezirk Möhringen ist, auch bei der kommenden Wahl wieder zu kandidieren.

In Stuttgart können sich Jugendliche noch bis diesen Donnerstag als Kandidaten für den Jugendrat aufstellen lassen. Wie das geht, wird auf der Website des Stuttgarter Jugendrats erklärt. Die Wahlen finden vom 13. bis zum 31. Januar 2020 statt. Kandidieren und wählen können Jugendliche, die zum letzten Wahltag älter als 14, aber jünger als 19 Jahre alt sind und seit mindestens drei Monaten in einem Stuttgarter Stadtbezirk wohnen – unabhängig von ihrer Nationalität.

Was macht der Stuttgarter Jugendrat?

Zuletzt hatte der Rat zum Beispiel Wasserspender auf öffentlichen Plätzen vorangetrieben und die Transportgebühren der Stadtbibliothek abschaffen lassen, wenn Bücher an Bezirksstandorten zurückgegeben werden. Außerdem hat er erreicht, dass der Bioanteil an Schulessen auf 25 Prozent gestiegen ist.

193 Jugendratsplätze für zwei Jahre sind zu besetzen, gewählt wird pro Stadtbezirk. Finden sich pro Bezirk nicht genug Kandidaten, finden dort keine Wahlen statt. Stattdessen werden Projektgruppen mit den Kandidaten eingerichtet, die von der Verwaltung unterstützt werden und die dieselben Rechte haben wie der gewählte Jugendrat.

Nicht genug Bewerber

Bisher hätten noch nicht genug Jugendliche ihre Kandidatur für die kommende Amtszeit angemeldet, sagt Roland Kelm von der Koordinierungsstelle für die Beteiligung Jugendlicher am kommunalen Geschehen. Kelm berichtet, dass das Interesse bei Vorstellung des Jugendrats in Schulklassen hoch sei, die tatsächlichen Bewerbungen blieben dann aber meist dahinter zurück.

Auch Huynh hat vor zwei Jahren in der Schule vom Jugendrat erfahren. Zwei Jugendräte hätten das Konzept in ihrer Klasse im Wilhelms-Gymnasium in Degerloch vorgestellt. Sie war begeistert und ließ sich zusammen mit einem Freund für das Amt aufstellen. „Man kann ja nichts verlieren, sondern erhält nur mehr Möglichkeiten“, erläutert sie ihre Motivation von damals. Den Jugendrat beschreibt sie als „Sprachrohr aller Jugendlicher“, das noch wirkungsvoller sei als die „Fridays for Future“-Proteste, mit deren Mitgliedern der Jugendrat jedoch kooperiere.

Auch in anderen Gemeinden können Jugendliche mitreden

Die Bezirksjugendräte in den Stuttgarter Stadtteilen können Vorschläge einbringen, an Sitzungen teilnehmen und haben ein Rederecht. Der gesamtstädtische Jugendrat, in den Vertreter der Bezirksjugendräte gewählt werden, hat ein Anfrage- und Antragsrecht wie der normale Gemeinderat.

Ein Jugendrat ist eine spezielle Form der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene. In Baden-Württemberg gibt es eine Vielzahl solcher Angebote, die aber nicht alle gebündelt unter dem Namen „Jugendrat“ laufen, sondern unterschiedlich heißen. So gibt es in Biberach und Weil am Rhein (Kreis Lörrach) beispielsweise ein Jugendparlament, in Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) können sich Jugendliche im Jugendgemeinderat engagieren.

Auch die Rechte der Jugendlichen bei den Beteiligungsformen unterscheiden sich von Gemeinde zu Gemeinde. Gut die Hälfte aller 1101 Gemeinden in Baden-Württemberg bietet eine Form der Jugendbeteiligung an, wie eine Studie der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg von 2018 herausfand. Der Jugendrat in Stuttgart ist mit Abstand der größte, in manchen kleineren Kommunen sind weniger als zehn Plätze im Jugendrat zu vergeben.

Nicht alle Forderungen werden realisiert

Der Freiburger Politikwissenschaftler Ulrich Eith begrüßt prinzipiell jede Form der kommunalen Beteiligung von Jugendlichen. So könne die junge Generation ihre Interessen einbringen, Erfahrungen in der Politik sammeln und die Demokratie für sich neu entdecken. Wichtig dabei sei es allerdings, dass die Positionen der Jugendlichen ernsthaft diskutiert werden und einige Projekte auch durchgesetzt werden. Dass nicht alle Forderungen realisiert werden können, sei aber normal. Die Zwölftklässlerin Huynh kann eine Kandidatur jedem empfehlen, der etwas verändern möchte. Das Amt im Jugendrat eröffne viele neue Möglichkeiten und mache zudem „verdammt viel Spaß“.