Polizisten nehmen immer häufiger Jugendliche fest. Foto: SB-Archiv

Ein Oberstaatsanwalt sieht unter kriminellen Jugendlichen eine Mentalität der Gesetzlosen.

Stuttgart - Zwei 14-Jährige überfallen maskiert und mit einer Pistole bewaffnet einen Friseursalon. Nun, drei Wochen später, hat die Polizei sie gefasst. Für die Staatsanwaltschaft sind die jungen Verbrecher ein "absoluter Ausnahmefall". Aber dahinter deutet sich ein unheilvoller Trend an.

Die beiden Gestalten betreten den Friseursalon in der Stadtmitte kurz vor Ladenschluss. Ihre Gesichter sind unter den Strickmützen verborgen. "Die beiden kamen rein und riefen ,Überfall' und ,Wo ist das Geld?"', erinnert sich die Ladeninhaberin an den 30. Dezember 2010. "Erst habe ich die Sache wohl nicht ganz ernst genommen; das war ja auch mein allererster Überfall. Dann fuchtelte einer mit der silbernen Pistole herum und richtete sie auf uns. Der ist immer nervöser geworden, das war schon bedrohlich. Da habe ich gemacht, was die verlangt haben."

Die Friseurin und ihre Kundin treten zur Seite. Die Räuber greifen in die Kasse und flüchten mit einigen Geldscheinen in der Hand. "Dass es junge Leute waren, habe ich gleich bemerkt, es waren so typisch schlaksige Figuren", sagt die Friseurin. Die Polizei geht von zwei "circa 16 Jahre" alten Jugendlichen aus und schreibt sie zur Fahndung aus. Nach drei Wochen Ermittlungsarbeit stößt die Kriminalpolizei vorigen Donnerstag auf den ersten Verdächtigen. Er ist erst 14 Jahre alt, damit strafmündig - und räumt die Tat ein. Wenig später wird auch der Komplize ermittelt. Auch er ist erst 14.

Die beiden Täter sind Schüler; sie leben bei ihren Familien in der Nähe des Friseursalons. Beide sind laut Polizei schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten: Ladendiebstahl, Beleidigung, Körperverletzung. Mit dem bewaffneten Raubüberfall auf das Friseurgeschäft - auch wenn es sich bei der Pistole um eine Schreckschusswaffe handelte - haben die Straftaten aber eine deutlich härtere Qualität bekommen.

"Das ist ein absoluter Ausnahmefall"

"Zwei bewaffnete 14-jährige Räuber hat es in Stuttgart seit vielen Jahren nicht gegeben, das ist aus unserer Sicht ein absoluter Ausnahmefall", sagt Gernot Blessing, Leiter der Abteilung Jugendkriminalität bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Konkrete Angaben zu den beiden Tätern kann Blessing noch nicht abgeben, weil die Akten noch bei der Polizei liegen. Trotzdem zeichnet sich auch in dem Fall ein unheilvoller Trend ab, meint der erfahrene Ermittler.

"Es gibt unter den jungen Menschen, mit denen es wir zu tun bekommen, zurzeit eine problematische Stimmung", berichtet Blessing. "Ich würde es vielleicht als Outlaw-Mentalität beschreiben, als Mentalität von Gesetzlosen." Die Jugendlichen hätten ein "pubertär-romantisches" Bild der Gesellschaft, meint der Oberstaatsanwalt. Das ungeschriebene Motto laute: Man kann es tun, also tut man es. "In dieser meist völlig unreflektierten Geisteshaltung werden auch die Straftaten begangen", klagt Blessing. Auch die Friseurin erinnert sich an den eigentümlichen Auftritt der Täter: "Die wussten gar nicht recht, was sie eigentlich wollten."

Aus wirtschaftlicher Not würden Jugendliche in Stuttgart nicht zum Straftäter, sagt Blessing: "Wir nehmen an, dass es mehr um Imponiergehabe unter Gleichaltrigen geht. Oft sind es Ersttäter. Die Straftat wird zu einem Akt der Selbstdarstellung innerhalb der Gruppe." Angst vor Entdeckung zeigten die jungen Täter selten. "Strafe spielt für sie keine Rolle", weiß Blessing. "Das sind finstere Perspektiven für die Erziehung."

Die 14-Jährigen wurden nach der Vernehmung auf freien Fuß gesetzt. Sie warten jetzt auf ihren Prozess. "Egal, wie das Urteil lautet - man wird sich künftig intensiv um die beiden Jugendlichen und um ihre Familien kümmern", sagt Blessing.

Die Friseurin hat den Überfall nach eigenen Angaben gut verkraftet. "Trotzdem zucke ich seither jedesmal zusammen, wenn die Tür zum Geschäft geht", gesteht sie.