Mareike Nieberding ist Gründerin der Politik-Plattform Demo, die auch in Stuttgart aktiv ist. Foto: Privat

Nach Brexit und Donald Trump gründete die Journalistin Mareike Nieberding die Jugendbewegung Demo. Diese ist auch in Stuttgart aktiv. Im Interview erzählt sie, warum Jugendliche sich gerade jetzt politisch engagieren und warum der Kontakt zu Azubis besonders wichtig ist.

Stuttgart - Nach Brexit und Donald Trump gründete die Journalistin Mareike Nieberding die Jugendbewegung Demo. Diese ist auch in Stuttgart aktiv.

Sind die Stimmen der Jugendlichen bei der kommenden Bundestagswahl besonders wichtig?
Den Parteien sind die Stimmen der Jungen überhaupt nicht wichtig. Wir sind ja viel zu wenig. Nur neun Millionen Wähler sind unter 30. Dafür sind 22 Millionen über 60. Das merkt man diesem Wahlkampf an. Dieser Wahlkampf richtet sich wie die davor an die Alten. Das finde ich schade und ehrlich gesagt auch ein wenig fahrlässig - denn wenn die Politik die Jugend jetzt nicht abholt, wann will sie es dann machen?
Was genau politisiert die Jungend?
Trump, Brexit, die sogenannte Flüchtlingskrise, der Wahlkampf von Le Pen, von Wilders, das Türkei-Referendum, die Entwicklungen in Polen - in den letzten Jahren war einfach extrem viel los und zwar direkt vor unserer Haustür. Es herrscht ein Gefühl von „jetzt wird’s ernst“.
Du hast das Projekt Demo am Tag nach der Wahl von Donald Trump im vergangenen Dezember auf Facebook gegründet. Wie steht es um die Bewegung heute?
Demo wächst und gedeiht. Wir haben über das Kernteam von rund zehn Mitstreitern hinaus mittlerweile um die 50 Aktive in ganz Deutschland, fast 5000 Follower auf Facebook und über 700 Mitglieder in unserer geschlossenen Diskussionsgruppe. Natürlich gibt es Rückschläge. Wir haben beispielsweise in den Monaten Mai und Juni gemerkt, dass die Empörung über Trump und Brexit langsam nachließ und damit auch das Engagement mancher Mitstreiter. Glücklicherweise dreht sich das Blatt gerade wieder: Wir gewinnen in Richtung Bundestagswahl viele neue motivierte Mitstreiter.
Wie läuft es in Baden-Württemberg?
Die Regionalgruppe BaWü war anfangs sehr aktiv, ist im Moment aber leider in einem kleinen Dornröschenschlaf. Wir hoffen, sie wiederbeleben zu können.

„Das Leben spielt nicht nur in Berlin und Hamburg“

Was macht ihr anders als Parteien, die sich an Junge richten, etwa Jusos oder die junge Union?
Was uns wichtig ist: Plattformen für Dialog zu schaffen, über Partei- und Milieugrenzen hinweg. Wir laden zur Diskussion über Politik ein, wollen den Jugendorganisationen der Parteien aber keine Konkurrenz machen. Im Gegenteil: Demo will ein Katalysator für ein neues Interesse an Politik sein. Unser Ziel ist es, politisches Selbstbewusstsein zu vermitteln, junge Menschen zum Wählen zu motivieren und sie vielleicht sogar dazu zu ermuntern, sich auch über DEMO hinaus für die Zukunft dieses Landes einzusetzen - mitzugestalten. Ich denke, dafür sind die Parteien immer noch ein sehr guter Ort. Wenn jemand also durch Demo motiviert wird, einer Partei beizutreten, finde ich das toll.
Ihr sprecht besonders mit Azubis und den Jugendlichen außerhalb großer Städte – warum mit denen?
Weil wir glauben, dass sie Gesprächsbedarf haben, den ihr schulisches Umfeld nicht abdecken kann. Und weil wir wegkommen wollen von diesem Hauptstadtzentrismus. Das Leben spielt nicht nur in Berlin oder Hamburg. Das Leben spielt überall in Deutschland. Ich weiß das, schließlich komme ich selbst vom Land. Und ich denke, dass wir als junge Generation gut daran tun, uns rechtzeitig einander zu vergewissern, neugierig zu sein - auch auf die vielen Unterschiede. Dann können Rechtspopulisten auch keine Ängste schüren. Wir haben noch ein paar Jahre bis unsere Generation dieses Land übernimmt. Ich denke, die sollten wir nutzen, um uns kennenzulernen.

“Be a voice not an Echo“

Welche Rolle spielen für Euch soziale Medien?
Ohne Facebook gäbe es Demo nicht. Wir mobilisieren, informieren, diskutieren über Soziale Medien. Sie sind unsere Arbeitsgrundlage. Aber es reicht nicht, sich auf sie zu beschränken. Das sehen wir in den Regionalgruppen. Die sind dort stark und gefestigt, wo die Menschen sich regelmäßig treffen und in die Augen schauen können. Das stiftet Vertrauen und Zugehörigkeitsgefühl.
Wann hat Demo für das Ziel erreicht?
Wenn alle neun Millionen Wählerinnen und Wähler unter 30 zur Wahl gegangen sind. Nein, im Ernst: Im Grunde zielt unsere Arbeit auf einen Kulturwandel ab: Be A Voice Not an Echo, steht auf unseren Plakaten. Und da wir seit den 68ern wissen, dass das Private politisch ist, bezieht sich dieser Spruch auf alle Lebensbereiche: Sei laut, sag deine Meinung, tritt für deine Interessen ein, kämpf für das, woran Du glaubst, nimm dir die Dinge zu Herzen, misch dich ein und gib dich nicht mit billigen Versprechen und Steuergeschenken zufrieden. Uns geht es so gut in diesem Land - daraus sollten wir was machen. Egal, welche Partei man wählt. Hauptsache man nutzt seine Stimme.