Für noch mehr Karten gibt es bald keinen Platz mehr im Eingangsbereich der Waldorfschule am Kräherwald Foto: Eva Funke

Der Briefkasten der Waldorfschule am Kräherwald ist jeden Tag voll. Täglich trudeln Grußkarten von Partnerschulen ein.

Stuttgart - Gezählt wird schon lang nicht mehr. Doch mittlerweile müssen es weit über 400 Karten sein, die im Eingangsbereich der Waldorfschule am Kräherwald von der Decke hängen, an Wänden und am Geländer kleben. Die Karten kommen aus aller Welt: aus Argentinien, Mexiko, den USA, der Schweiz, Israel und auch von der Waldorfschule in Sillenbuch. Und alle sind sie bemalt: zum Beispiel mit den Landesflaggen des Herkunftslands, Blumen, Tieren, Engeln, Ornamenten, und natürlich enthalten sie Glückwünsche zum Geburtstag.

Nach dem Staffellauf zum 100. Geburtstag der ersten Waldorfschule an der Uhlandshöhe ist die Postkartenaktion ein weiteres Projekt der Waldorfschulen: Die weltweit 1100 Waldorfschulen, von denen 245 in Deutschland sind, haben jeweils ein Paket mit 1100 Postkarten bekommen. „Auf jeder Postkarte ist bereits die Adresse einer Schule gedruckt. Die Schüler bemalen die Karten mit beliebigen Motiven und schicken sie dann an die betreffende Schule“, sagt Sabine Romann, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit an der Freien Waldorfschule Kräherwald. Der Sinn der Aktion „Waldorf 100“ ist ein ähnlicher wie beim Staffellauf. Die Entwicklung eines Zusammengehörigkeitsgefühls. Romann: „Wir sind eine große Familie und dieses Gefühl wollen wir stärken.“

1948 fiel der Startschuss für eine weitere Waldorfschule in Stuttgart

Im vergangenen Jahr hatte die Waldorfschule am Kräherwald ebenfalls ein Jubiläum zu feiern, das ihres 70-jährigen Bestehens. Der Startschuss für die Gründung der zweiten Waldorfschule in Stuttgart war, dass die Schule an der Uhlandshöhe Ende der 1940er Jahre aus allen Nähten geplatzt ist. Im Herbst 1948 sind Schüler und Lehrer der ausgelagerten c-Klasse im „Haus Heimgarten“ eingezogen. In seinen Nordgeschichte(n) erzählt der Hobbyhistoriker und Autor Jörg Kurz die wechselhafte Geschichte der Gründerzeit-Villa: Erbauen ließ sie der Küchengeräte-Fabrikant Carl Lang 1868. Auf Grund der Inflation konnte der schwer erkrankte Carl Lang das Gebäude später nicht mehr halten. 1925 wurde es versteigert. Adolf Wolf, Teilhaber der Firma W. Wolf und Söhne, erwarb die Villa, ließ im Park ein Gewächshaus und Schwimmbad bauen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, Adolf Wolf war bereits gestorben, wanderte die Familie nach Brasilien aus. 1936 ging die Villa in den Besitz der Stadt über und wurde 1948 von der Waldorfschule angemietet. Allerdings war sie so verwahrlost, dass Eltern, Schüler und Lehrer instand setzen mussten, bevor dort unterrichtet werden konnte.

Noch heute ist das Gebäude mit der Fassade aus Sandsteinquadern Mittelpunkt des Schulgeländes. „In der Belle Etage mit den Eichholzpaneelen an den Wänden und Stuck an den Decken ist heute der Speisesaal für die Schüler“, sagt Romann. Die Zahl von anfänglich rund 235 Schülerinnen und Schülern ist mittlerweile auf rund 950 gewachsen. Auf dem Gelände sind weitere Schulgebäude entstanden, unter anderem das Gebäude nach einem Entwurf von Rolf Gutbrod (1910 – 1999), der selbst Schüler in der Waldorfschule Uhlandshöhe war.

Mittlerweile gibt es neben der Waldorfschule Uhlandshöhe und Kräherwald drei weitere Waldorfschulen: die Michael-Bauer- und die Karl-Schuber-Schule so wie die Waldorfschule am Silberwald. Ob nun tatsächlich alle 1100 x 1100 Postkarten, also insgesamt 1,21 Millionen Karten, verschickt werden: „Hoffentlich nicht. Das würde ja auch sehr teuer. Aber eine ganze Menge werden es schon werden“, ist Romann überzeugt.